Hartz-IV-Klage Kein Prozess um 20 Cent mehr

Kassel · Seit 2011 gelten die neuen Hartz-IV-Regelsätze. Doch die Kritik blieb. Auch viele Betroffene sind alles andere als zufrieden. Und so stand an diesem Donnerstag mal wieder die mögliche Verfassungswidrigkeit der Sätze beim Bundessozialgericht auf dem Prüfstand – dies wies die Klage um 20 Cent mehr jedoch ab.

Gerichtsentscheidungen zu kuriosen Hartz-IV-Klagen
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Gerichtsentscheidungen zu kuriosen Hartz-IV-Klagen

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Foto: dapd, dapd

Seit 2011 gelten die neuen Hartz-IV-Regelsätze. Doch die Kritik blieb. Auch viele Betroffene sind alles andere als zufrieden. Und so stand an diesem Donnerstag mal wieder die mögliche Verfassungswidrigkeit der Sätze beim Bundessozialgericht auf dem Prüfstand — dies wies die Klage um 20 Cent mehr jedoch ab.

Seit es Hartz IV gibt, kommen die Gerichte in Deutschland kaum aus dem Papierwust heraus. Denn immer wieder klagen Betroffene gegen die Ämter, weil sie etwa glauben, zu wenig Leistungen vom Staat zu erhalten. Und die Klagen nehmen zu statt ab, auch wenn die Politik erst im vergangenen Jahr die Bedarfssätze neu geregelt hatte.

So musste sich auch an diesem Donnerstag das Bundessozialgericht in Kassel mit gleich vier Revisionen rund um Hartz IV beschäftigen. Während zwei davon sogar die Verfassungskonformität der Regelsätze betreffen, mutet ein anderer Fall besonders kurios an. Wir stellen die Fälle vor.

Statt 364 Euro 1000 Euro

Der vor allem für die Politik wichtigste Fall ist der einer Frau aus dem Rhein-Neckar-Kreis, von der gleich zwei Revisionen am Bundessozialgericht verhandelt werden. Die Klägerin will höhere Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und hält die Festsetzung der Regelleistung für Erwachsene seit dem 1. Januar 2011 für verfassungswidrig.

Wie das Bundessozialgericht auf seiner Webseite schreibt, verfügt die Frau weder über Einkommen noch besitzt sie Vermögen und bezieht seit Anfang 2005 Hartz IV. Von November 2010 bis April 2011 hatte sie monatlich 359 Euro erhalten. Dagegen hatte sie geklagt — allerdings ohne Erfolg. Im Verlauf des Berufungsverfahrens sei der Satz geändert worden — auf 364 Euro monatlich. Doch auch das Landessozialgericht wies die Klage zurück. Denn nach seiner Auffassung sind die neuen von der Politik festgesetzten Regelsätze nicht zu beanstanden.

Die Klägerin dagegen sagt, dass ihr Existenzminimum durch den neuen Regelbedarf nicht gedeckt werde. Ihr Bedarf sei freihändig festgesetzt worden, außerdem basiere die Berechnung des Bedarfs auf zu alten Daten. Um eine höhere Leistung geht es ihr auch in der zweiten Revision. Dort verlangt sie einen Satz von rund 1000 Euro.

Die Sache mit der Auf- und Abrundung

Der erste Fall, mit dem sich das Gericht an diesem Donnerstag allerdings beschäftigen muss, hat weniger mit der Verfassungskonformität der Hartz-IV-Regelsätze zu tun. Vielmehr zeigt er, wie klagebereit inzwischen viele Empfänger sind, auch wenn es nur um kleine Beträge geht — in diesem Fall konkret um 20 Cent.

Konkret geht es um einen Fall aus Thüringen. Eine Frau verlangt 20 Cent mehr zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes, wie das Bundessozialgericht mitteilt. Diese 20 Cent ergeben sich aus Rundungsdifferenzen bei der Berechnung von Hartz IV.

Das Sozialgericht hatte der Klage stattgegeben mit der Begründung, dass Regelbedarf und Kosten für die Unterkunft getrennt gerundet werden müssten. Dadurch ergebe sich beim Regelbedarf eine Aufrundung, bei der Unterkunft eine Abrundung — und im Endeffekt 20 Cent mehr für die Klägerin. Das Jobcenter aber ging in Revision, weil seiner Ansicht nach kein Rechtsschutz für einen solchen Bagatellbetrag gelte.

Das Bundessozialgericht in Kassel wies die Klage denn auch zurück. Der 14. Senat sprach der Frau ein Rechtsschutzbedürfnis wegen dieser Rundungsdifferenz ab. Ein Gerichtssprecher erklärte die Entscheidung damit, dass es Fälle gebe, die vom Wert so gering einzuschätzen seien, dass das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Ein Haus und seine Folgen

Im letzten Fall, den das Gericht verhandeln muss, geht es um einen Mann aus dem Norden Deutschlands, der laut Bundessozialgericht die erhaltenen Leistungen zur Grundsicherung als Zuschuss statt als Darlehen gewährt haben möchte. Das Problem: Der Mann bekam einst das Haus seiner Eltern überschrieben, die allerdings ein lebenslanges Wohnrecht darin haben.

Als er arbeitslos wurde, erhielt er Leistungen vom Amt. Doch die wurden ihm als Darlehen gewährt. Als er die Darlehensverträge aber nicht unterschrieb, wurde ihm die Leistung gestrichen. Dagegen hatte der Mann geklagt, war aber in den vorherigen Instanzen erfolgslos. Das Landessozialgericht nämlich sah ihn in dem Zeitraum zwar als leistungsberechtigt, das Haus aber als Vermögen an. Und das wurde angerechnet.

Das Argument, er hätte es nicht verkaufen können, weil die Eltern darin wohnten, ließ das Gericht nicht gelten, denn eine Beleihung wäre durchaus möglich gewesen. Ob er diesmal Erfolg vor Gericht hat, wird sich an diesem Donnerstag zeigen.

Fest steht zumindest eines: Die Klagewelle gegen Hartz IV wird auch in Zukunft nicht abnehmen. Und auch das Bundesverfassungsgericht wird sich wieder mit den Sätzen beschäftigen müssen. Denn das Sozialgericht Berlin hatte den Karlsruher Richtern die Regelsätze zur Prüfung vorgelegt. Denn nach Ansicht des Gerichts decken sie immer noch nicht das Existenzminimum.

(das)
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