Wesel Streit um Wohnsitz: Dauercamper pfeifen auf das neue Gesetz
Wesel · Die Stimmung in der großen Insel-Stuben-Halle (früher Deichhaus) auf der Flürener Grav-Insel ist geladen. Gut 500 (Dauer-)Camper warten gespannt, was ihnen Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp zu sagen hat. Die Verwaltungschefin weiß, dass das für sie kein einfacher Termin wird.
Geht es doch darum den Insel-Bewohnern, die hier zum Teil seit Jahrzehnten ihren ersten Wohnsitz haben und einst von der Stadt regelrecht auf einen der größten Campingplätze Deutschlands gelockt wurden, eine schlechte Nachricht zu verkünden. Und zwar die, dass sie zwar weiterhin geduldet werden, dieses Recht aber nicht an Kinder und Kindeskinder vererben und auch nicht verkaufen dürfen.
Und ihr Gefühl hat die Bürgermeisterin nicht getrogen. Denn wie sich während der gut einstündigen Infoveranstaltung zeigt, haben die Camper absolut kein Verständnis dafür, dass beispielsweise weder Kinder, die nach dem Stichtag 23. April 2014 geboren wurden, noch mögliche neue Partner der Bewohner auf der Grav-Insel ihren ersten Wohnsitz haben dürfen. "Das ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte", echauffiert sich ein Betroffener während der zum Teil hoch emotional geführten Diskussion in der Veranstaltungshalle.
Gebetsmühlenartig wiederholt Ulrike Westkamp immer und immer wieder, dass es sich hier um ein Bundesgesetz handele und das NRW-Bauministerium verpflichtet sei, mit allen Städten Kontakt aufzunehmen, die einen größeren Campingplatz haben. Der Verabschiedung des neuen Gesetzes war ein Rechtsstreit vorausgegangen. Ein Kläger hatte sich beim Land NRW beschwert, dass es möglich sei, auf einem Campingplatz seinen ersten Wohnsitz zu haben. Das zuständige Gericht gab dem Mann Recht.
"Sie alle, die Sie hier vor dem Stichtag 23. April 2014 Ihren ersten Wohnsitz angemeldet haben, werden weiterhin geduldet", beruhigt die Bürgermeisterin. Voraussetzung sei, dass alle nach einer eingehenden Beratung von Fachleuten der Verwaltung eine "öffentlich-rechtliche Vereinbarung" ausfüllen und unterschreiben würden. So sei nun mal die Vorgabe des Landes-Ministeriums. "Wir haben uns das in Wesel nicht ausgedacht. Aber es ist unsere Aufgabe, das neue Gesetz umzusetzen." Bei Härtefällen, verspricht sie, werde man versuchen, eine Ausnahmeregelung zu finden.
Unter den aufgebrachten Besuchern der Veranstaltung sind einige die beklagen, dass Westkamp ("Wir haben Sie bei der Wahl unterstützt") nicht gegen den Gesetzgeber angeht. "Wir sollten uns nicht so von der großen Politik gängeln lassen", sagt einer und bekommt dafür reichlich Beifall.
Noch lange nach Ende der Infoveranstaltung stehen Betroffene vor der Insel-Stube zusammen und diskutieren. Stimmen werden laut, den für Wesel zuständigen Bundestagsabgeordneten Sabine Weiss (CDU) und Dr. Ulrich Krüger (SPD) klarzumachen, dass dieses neue Gesetz so nicht hinzunehmen sei. Wer die aufgeheizte Stimmung in der Halle erlebt hat, weiß, dass die Bewohner der Grav-Insel für ihre Interessen kämpfen werden.