Reiner Michalke Jazzfestival präsentiert Welt-Premieren

Wesel · Moers wird am Pfingstwochenende (22. bis 25. Mai) zur Festivalstadt: Das Jazzfest beleuchtet vier Tage lang die Facetten der improvisierten Musik. Für den künstlerischen Leiter Reiner Michalke ist es "sein zehntes" Moers Festival.

 Saxofonist Hayden Chisholm eröffnet am Freitag, 22. Mai, das Moers Festival in der Festivalhalle am Solimare mit dem Lucerne Jazz Orchestra.

Saxofonist Hayden Chisholm eröffnet am Freitag, 22. Mai, das Moers Festival in der Festivalhalle am Solimare mit dem Lucerne Jazz Orchestra.

Foto: Archiv

Am Pfingstwochenende findet Ihr zehntes Moers Festival statt. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Reiner Michalke Als ich diese Aufgabe übernommen habe, hatte ich einen Riesenrespekt davor. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Damals habe ich gesagt, ich wollte die schöne, alte Villa ,Moers-Festival' schonend renovieren und ins 21. Jahrhundert führen. Große Worte! Jetzt, zehn Jahre später, kann ich sagen, dass die Renovierung weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen ist. Was mich sehr freut, ist die weltweite Aufmerksamkeit, die das Festival wieder bekommt und die Tatsache, dass mir das Festivalmachen heute immer noch mindestens genauso viel Spaß macht wie am ersten Tag.

Hätten Sie sich träumen lassen, dass das Moers Festival die eigene Konzerthalle am Solimare bekommen würde?

Michalke Sie werden lachen, aber einer meiner ersten Vorschläge an den damaligen Aufsichtsrat war die Herstellung einer neuen Spielstätte am Standort des Festivalzeltes im Schlosspark. Ich hatte damals sogar erste Pläne und eine grobe Kostenschätzung machen lassen. Die Finanznot der Stadt hat aber alle weiteren Überlegungen zum Erliegen gebracht. Erst der Hinweis des Landes, unter bestimmten Bedingungen einen Zuschuss für die Renovierung der ehemaligen Theaterhalle zu geben, hat die Diskussion wieder in Gang gebracht. Und auch wenn wir jetzt eine würdige Spielstätte für die nächsten zehn bis 20 Jahre haben, könnte ich mir vorstellen, dass irgendwann in ferner Zukunft der Plan, ein Neubau am Standort des alten Festivalzeltes, realisiert wird.

Das Budget fürs Festival ist deutlich kleiner geworden. Wie schwierig ist es, unter diesen Bedingungen das Programm zu stemmen?

Michalke Sie haben recht. Seitdem ich für das Festival Verantwortung trage, ist der städtische Zuschuss um über die Hälfte verringert worden. Wir mussten also lernen, mit einem ständigen Krisenmanagement zu leben, immer wieder in Lücken vorzustoßen und sie gleichzeitig zu schließen. Dass es trotzdem gelingt, auch aufwendige Programmpunkte zu realisieren, wie Hayden Chisholm mit dem Lucerne Jazz Orchestra, Michael Mantlers "Jazz Composer's Orchestra Update" oder Colin Stetsons Gorecki-Projekt, haben wir in erster Linie der Kunststiftung NRW zu verdanken, die uns von Anfang an fest zur Seite steht.

Im Programm finden Jazzfreunde etliche Großformationen. Locken sie das Publikum an?

Michalke Ja, natürlich will ich dem Publikum ein attraktives und interessantes Programm bieten. Dazu gehört, Dinge zu zeigen, die sonst nirgendwo zu sehen sind. Das sind auch die Großformationen. Sie sind alleine aufgrund ihrer hohen Kosten im ganzjährigen Konzertbetrieb immer seltener anzutreffen. Und hier hat Moers eine lange und erfolgreiche Tradition. Aber nicht nur die Großformationen sind es, die das Programm von anderen Festivals unterscheidet. Es sind auch die Welt-, Europa- und Deutschlandpremieren, die wir in jedem Jahr zeigen. Wir haben den Anspruch, immer auf Ballhöhe mit der internationalen Entwicklung zu sein. Und ihr vielleicht sogar manchmal einen kleinen Schritt voraus zu sein.

Die Projekte des Netzwerks Improvisierte Musik sind weitgehend eingestellt. Welche Abstriche müssen die Festivalbesucher am Pfingstwochenende machen?

Michalke Sie werden die Einschnitte im Angebot, die wir in diesem Jahr machen mussten, nur mit dem Wegfall der Konzerte im Dunkeln zu spüren bekommen. Alles andere trifft allein die Moerser, und hier vor allem die Kinder und Jugendlichen. Und das schmerzt mich ganz besonders. Vieles von dem, was wir seit 2008 mit "nimm!", dem Netzwerk Improvisierte Musik Moers, an den Schulen aufgebaut haben, ist aufgrund mangelnder Finanzierung ersatzlos zusammengebrochen. Geblieben ist alleine die Institution des "Improviser in Residence", die zu 100 Prozent von der Kunststiftung NRW finanziert wird. Aber ich werde keine Ruhe geben, bis eine dauerhafte Finanzierung für diese Projekte im Vorfeld des Festivals gefunden ist.

Die Festivalhalle wurde 2014 eingeweiht: Haben Sie Verbesserungen im Bereich Infrastruktur vorgenommen - zum Beispiel bei der Lüftung?

Michalke Ja und nein! Die Lüftungsanlage in der Festivalhalle ist mehr als in Ordnung. Das Problem im vergangenen Jahr war, dass bei Außentemperaturen von über 30 Grad und hoher Luftfeuchte auch die beste Lüftung nur 35 Grad warme Innenluft gegen 32 Grad warme Außenluft austauschen kann. Dagegen hilft nur eine Klimaanlage, die die Außenluft kühlt und trocknet. Die müsste aber bei unserer Hallengröße Ausmaße haben, die unser Budget hoffnungslos überschritten hätte. Wo wir uns in diesem Jahr aber noch weiter verbessern werden, ist bei der Akustik. Auch wenn es für den guten Klang in der Halle nur Lob gab, werden wir den Nachhall im Bassbereich mit einem ganz neuen Verfahren, das noch in der Probephase ist, weiter reduzieren. Ich bin selbst sehr gespannt.

Sie haben die Nächte neu konzipiert. Warum?

Michalke Wir haben dem Kind genau genommen nur einen neuen Namen gegeben. Was wir 2014 noch "Night Session 2.0" genannt haben, heißt jetzt "The Night". Auch die findet wieder Sonntagnacht in der Festivalhalle bei freiem Eintritt statt und dauert bis in den Morgen. Die Idee dabei ist, dem Programm ein weiteres musikalisches Fenster zu öffnen. Mit einer Musik, die aus der elektronischen Tanzmusik heraus entstanden ist und sich jetzt immer mehr auf den Weg macht, auch ein Konzertpublikum zu erreichen. www.moers-festival.de

ANJA KATZKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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