Neuss "Wundertüte" Münsterschule

Neuss · Unter dem alten Schulhof wurden bei Ausgrabungen Siedlungsreste aus römischer Zeit gefunden. An einer Stelle, wo die Forschung bisher ein Gräberfeld annahm. Die Zivilsiedlung war damit größer als bisher angenommen.

  Sabine Sauer und Susanne Hochscheid (r.) in der ehemaligen Führungsleitstelle unter der Münsterschule.

Sabine Sauer und Susanne Hochscheid (r.) in der ehemaligen Führungsleitstelle unter der Münsterschule.

Foto: L. Berns

Das Areal der Münsterschule ist eine "Wundertüte" — für Zeitgeschichtler, die im Keller die Reste der Führungsleitstelle aus Zeiten des "Kalten Krieges" besichtigen können, aber auch für Altertumsforscher. Denn in einer Tiefe von 1,40 Meter unter dem ehemaligen Schulhof grub Sabine Sauer, Archäologin in städtischen Diensten, römische Siedlungsreste aus.

"Das war eine Überraschung", sagt Sauer, denn wer auch immer in der Vergangenheit über das römische Neuss schrieb oder Karten dieser ersten Zivilsiedlung zeichnete, der zog am heutigen Quirinusmünster eine Linie zwischen der römischen Zivilsiedlung (vicus) und dem nördlich nachgewiesenen Gräberfeld. Schlussfolgerung: "Das römische Neuss war größer als angenommen — aber keine Großstadt."

Aussagen zur antiken Topographie

In Angriff genommen wurden die Grabungen in der Erwartung, Reste des Damenstiftes St. Quirin zu finden, das dort von etwa 1200 bis 1802 bestand. Zum Glück für die Archäologie gehörte zur engeren Klausur der Stiftsdamen auch ein Garten, der bis in die Gegenwart von Bebauung frei blieb. Schicht für Schicht abgetragen, gab der Boden erst Gartenkeramik oder auch Putten aus barocker Zeit frei — "nichts Frommes", wie Sauer sagt — bevor die Archäologen auf die Reste eines zusammengestürzten Hausdaches aus dem zweiten Jahrhundert stießen.

Weil auch Münzen aus früher nachchristlicher Zeit, Keramik und andere Siedlungsspuren gefunden wurde, ist für Sauer der Nachweis erbracht, dass es sich um kein Gräberfeld handeln kann. Anhand der Siedlungsspuren kann Sauer nun Aussagen zur antiken Topographie machen und die steile Uferböschung zum Rheinverlauf, an den sich die Siedlung anschmiegte, fortsetzen. Bis zur Neubebauung bleibt den Archäologen noch Zeit, die Grabungen abzuschließen.

Diese werden so weit vorgetrieben, bis man auf den gewachsenen Boden trifft, der etwa 2,30 Meter unter dem heutigen Niveau legt. An einigen Punkten ist diese Tiefe bereits fast erreicht. Die Funde würden dokumentiert, sagt Sauer. Sie seien aber nicht so außergewöhnlich, dass sie am Fundort für die Nachwelt erhalten werden müssten. Die Bodendenkmalpflege werde aber die Ausschachtarbeiten begleiten.

(NGZ)
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