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Schriftsteller Raoul Schrott Neue Bilder für Homers Worte

Schriftsteller Raoul Schrott · Der Schriftsteller Raoul Schrott eröffnet am Montag mit einer Lesung aus seiner Neuübersetzung von Homers "Ilias" den Literarischen Sommer in der Stadtbibliothek. Mit seinem Begleitbuch "Homers Heimat" hatte er noch vor dem Erscheinen der Übersetzung für großen Wirbel gesorgt.

So ganz freiwillig war die Arbeit nicht. Denn eigentlich wollte Raoul Schrott die "Odyssee" übersetzen. Der Lebenslauf des griechischen Helden mit seinen vielen Reisen läge ihm viel näher, sagt der Schriftsteller, der daheim in Österreich sitzt und sich auch am Telefon als großer Erzähler erweist. Geld habe er verdienen müssen, beschreibt er es ganz prosaisch, um sein nächstes Buch schreiben zu können. Und dafür bietet sich eben eine Übersetzung an. Aber der Hessische Rundfunk, dem er seine Idee angetragen hatte, habe abwinkt: Es gebe schon genügend brauchbare von der "Odyssee". Stattdessen kam der Vorschlag, die "Ilias" zu übersetzen.

Schrotts erste Reaktion: ,"Pfuideifel", denn mit diesem "Schlachtengemälde" hat er noch nie viel anfangen können. "Vor allem, weil ich es natürlich in den alten Übersetzungen gelesen habe. In einem Deutsch, mit dem ich nicht zurecht kam." Homer sei in Deutschland so untrennbar mit der Klassik verbunden, dass selbst neuere Übertragungen sich sprachlich davon nicht lösen würden.

"Ich war allerdings völlig blauäugig", gesteht Schrott lachend, "und hatte die Vorstellung, ich könnte die Ilias zwischen vier Uhr nachmittags und dem Abendessen häppchenweise über eine paar Jahre übersetzen". Entweder man sei drin oder draußen, hat er dann feststellen müssen, "weil es sehr, sehr viel Recherche zu bewältigen galt". Er hat sich für "drin" entschieden, und so wurde die "Ilias" für ihn zu einer geradezu "phantastischen Geschichte, die ich erst durchs Übersetzen kennen gelernt habe". Aber weil Homers Text viel "Kommentarwissen voraussetzt, um ihn richtig begreifen zu können", hat der 45-Jährige ihm ein aufwendiges philologisches Studium widmen müssen. Was meint Homer im damaligen Kontext mit seinen Versen? Was bedeutete der Text für sein Publikum? Was sind die Pointen? seien die Fragen gewesen, deren Antworten ihn zum letzten wichtigen Schritt geführt haben: "Wie kann ich das heute sagen, um den gleichen Effekt wie damals zu erzielen?"

Ein Epos, aber auch jedes Gedicht ist für Schrott eine "Art Kino im Kopf". Von einem Text, von dem man zweieinhalbtausend Jahre entfernt sei, könnten aber nur noch die "bloßen Untertitel" übrig geblieben sein: "Und die müssen wieder mit den nötigen Bildern versehen werden." Allerdings mache Homers strenges metrisches System "alles genaue Beschreiben schwierig", sagt Schrott. Das größte Problem für ihn war jedoch, dass Homer eine "sehr neutrale Sprache mit einem äußerst begrenzten Vokabular" genutzt hat: "Die Ilias hat nicht mehr als 6000 Vokabeln — so viel, wie ein Ausländer nach einem Jahr Deutschkursus kann." Diese Vokabeln habe Homer für alles genutzt — egal, ob es larmoyant, heroisch, humoristisch oder kämpferisch zuging. Schrott hat dafür als Schriftsteller und Übersetzer eigene Worte finden müssen.

Hat er das Werk also auch interpretiert? So weit will Schrott nicht gehen. Er habe sicherlich neue Wortebenen geschaffen ("und immer alles von Gräzisten kontrollieren lassen"), aber keine eigenen Vorstellungen entwickelt, sagt er.

Drei Jahre hat der gebürtige Tiroler an dem Werk gearbeitet, und doch noch Zeit gefunden, ein anderes Buch zu schreiben. Gewissermaßen ein Nebenprodukt der Recherche an der "Ilias" und genauso akribisch zusammengetragen. Mit "Homers Heimat" hat der Autor allerdings für großen Wirbel gesorgt und für das Buch auch harte Kritik einstecken müssen. Denn Schrott behauptet nämlich, dass der griechische Dichter in Wahrheit ein Schreiber in assyrischen Diensten in Kilikien (in der heutigen Türkei) war, der die "Ilias" aus verschiedenen Erzählung und Schriften zusammengetragen hat. Was unter vielen Wissenschaftlern zu einem Aufschrei führte. Die Wogen der Empörung über Homers neue Heimat hat dann die Neuübersetzung der "Ilias", die ein halbes Jahr später erschien, ein wenig geglättet. Für diese Arbeit wurde Schrott fast uneingeschränktes Lob zuteil.

Auch zwei Jahre danach ist der Schriftsteller nach wie vor von seiner These überzeugt, hat gerade die möglichen Schauplätze von Homers Leben besucht. Die heftigen Reaktionen in Deutschland haben ihn damals schon überrascht, gibt er zu, dennoch ist er "frohen Mutes", dass seine Thesen irgendwann unterstützt werden. "Ich habe zumindest sehr viele fruchtbare Diskussionen auf den verschiedensten Symposien geführt."

Info Am Neumarkt 10, Montag, 20. Juli, 19.30 Uhr

(RP)
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