Analyse Die Frage von Schuld und Verantwortung

Neuss · Die Korruptionsvorwürfe gegen Geschäftsführer Heinz Runde erschüttern die Stadtwerke Neuss. Für sie wirkt Rundes am Donnerstag angekündigter Rücktritt wie ein Befreiungsschlag. Vielleicht folgt jetzt die Zeit der sachlichen Suche nach der Wahrheit.

Analyse: Die Frage von Schuld und Verantwortung
Foto: Berns, Lothar (lber)

Ganz zum Schluss hat er doch noch einmal agiert. Einen Tag vor der auch für ihn wegweisenden Ratssitzung hat Heinz Runde gehandelt und hat angeboten, die Geschäftsleitung der Stadtwerke niederzulegen. Der zuständige Personalausschuss wird diesen Rückzug akzeptieren - alles andere wäre eine Überraschung. Ob Heinz Runde mit seinem Rückzugsangebot einer drohenden Freistellung zuvorkommen wollte, bleibt im Bereich der Spekulation. Zur erwarteten Abstimmung im Rat, einen Anweisungsbeschluss für die kommunalen Vertreter in den Stadtwerke-Aufsichtsgremien zu seiner Abberufung herbeizuführen, kam es gestern nach Rundes Initiative nicht mehr. Vor Wochenfrist hatten ihn die Stadtwerke-Gremien gehalten und der Gesellschafterversammlung empfohlen, ebenso zu verfahren - was dann mit knapper Mehrheit auch geschah.

Wie auch immer. Heinz Runde hat Verantwortung übernommen. Für das Unternehmen, das er so lange leitete und dessen Gesicht er war. Für seine Familie und für sich selbst. Keine Frage, sein Rückzug ist richtig, wenn er auch spät kommt. Manche werden sagen: zu spät. Er ist auch richtig, weil Heinz Runde verantwortlich ist. In guten Zeiten und eben auch in schweren Zeiten. Ob er auch schuldig im Sinne der Vorwürfe ist, weiß bis heute niemand. Das müssen letztlich die Gerichte später einmal klären - wenn denn Klage erhoben wird. Rundes Rücktritt nimmt dem Verfahren erst einmal die emotionale Spitze. Das könnte der sachlichen Betrachtung dienen.

Fakt ist bis heute, dass es Vorwürfe gibt, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft offenbar so schwerwiegend sind, dass die Ermittler gleich zweimal - im Sommer 2014 und nun Mitte Dezember 2015 - mit einem Großaufgebot die Stadtwerk-Zentrale an der Moselstraße in Neuss und weitere Objekte durchsuchten. Seither steht Heinz Runde öffentlich unter Korruptionsverdacht. Besonders schwer wiegt der Vorwurf, an Rundes Privatadresse habe ausgerechnet jenes Unternehmen zu auffallend günstigen Konditionen gearbeitet, das auch bei der Auftragsvergabe der Stadtwerke zum Zuge kam. Runde weist die Beschuldigungen zurück. Kann er zur Aufklärung beitragen, werden ihn die Ermittler hören, denn die - so ist es in unserem Rechtsstaat - sammeln nicht nur belastendes Material, sondern auch entlastendes. Auch die Ermittler tragen Verantwortung.

Die Vorwürfe - ob berechtigt oder unberechtigt - müssen Heinz Runde bis ins Mark treffen. Doch er ist Profi genug, um zu wissen, dass er als Chef dafür den Kopf hinhalten muss. Einen Teil seines Managergehaltes wird er jetzt als Schmerzensgeld ansehen. Bitter für ihn ist es, dass auf der Zielgeraden seines Berufslebens die staatsanwaltlichen Ermittlungen sein durchaus beachtliches Lebenswerk relativieren. Als Runde 1995, der zuvor schon der Stadt als Beigeordneter gedient hatte, in die Chefetage der Stadtwerke wechselte, wurde der Versorger noch mehr und weniger in der Rechtsform eines kommunalen Eigenbetriebs geführt. Heute sind die SWN ein moderner Konzern, der neben Strom und Wasser auch die Abwässer und den Nahverkehr organisiert sowie die Bäder und die Eissporthalle betreibt. Allein die SWN Energie und Wasser kam zuletzt auf 20 Millionen Euro Gewinn.

Dass diese Erfolgsgeschichte nun belastet ist, trifft das Unternehmen und seine redlichen Mitarbeiter hart. Sie haben es nicht verdient, unter Generalverdacht gestellt zu werden. Darum erweist Heinz Runde ihnen jetzt einen großen Dienst, wenn er seinen Hut nimmt und zu seiner Verantwortung steht, die er als Chef zu tragen hat. Insofern ist Rundes Rücktritt ein Befreiungsschlag. Für die Stadtwerke hat die Zeit nach Heinz Runde begonnen. Das kann, wer will, als gute Nachricht verstehen.

(-lue)
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