Neuss Der Teufel trägt nur schwarz

Neuss · Bettina Jahnke hat Shakespeares Drama "Richard III." zu einem diabolischen Spiel um politische Macht entwickelt. Mit einem hervorragenden Ensemble - allen voran Philipp Alfons Heitmann als Richard.

 Vor dem Fluch der Margarethe (Ulrike Knobloch, 2.v.r.) kann Richard (Alfons Philipp Heitmann, 2.v.l.) sich nicht schützen. Auch Hastings (Joachim Berger, r.) und Buckingham (Gregor Henze) werden sterben.

Vor dem Fluch der Margarethe (Ulrike Knobloch, 2.v.r.) kann Richard (Alfons Philipp Heitmann, 2.v.l.) sich nicht schützen. Auch Hastings (Joachim Berger, r.) und Buckingham (Gregor Henze) werden sterben.

Foto: Björn Hickmann/RLT

Düster ist's am Hofe von König Edward IV. Kaum Licht, alles ist schwarz. Die Draperien an der Wand, selbst die herumliegenden Plastiksäcke sind schwarz. Wie die Seele von Edwards Bruder Richard von Gloster. Wenn dieser sich aus dem Tütengebirge herausschält, anhebt zu einer Suada über die eigene Bedeutungslosigkeit und nur sein Gesicht vom Schein einer Feuerzeugflamme beleuchtet wird, hat das was Unwirkliches. Als ob einer aus einem Höllenschlund hervorkriecht und sich anschickt, die Welt zu zerstören.

Natürlich hat Ausstatterin Ivonne Theodora Storm auch Richard in einen schwarzen Anzug gesteckt, sich wie Bühnenbildnerin Iris Kraft damit an die Lesart der Regisseurin Bettina Jahnke gehalten, die aus dem Historiendrama "Richard III." von William Shakespeare in ihrer Inszenierung am RLT ein kaltes Rachedrama macht. Der Neusser Richard ist das Gegenteil von einem Hitzkopf. Er will die Macht, ja, aber Spaß dabei haben. All das Töten, das Manipulieren der Menschen um ihn herum, ist ein diabolisches Spiel, das er gewinnen will. Und wird. Aber dann?

Jahnkes Zugriff auf das Drama ist beherzt, aber schlüssig. Mit ihrem Dramaturgen Reinar Ortmann hat sie das personenreiche Stück nicht nur auf tragende Figuren und Szenen gekürzt, sondern regelrecht seziert. Spielweise und Ausstattung der Inszenierung sind zu einem eleganten Gewand verwoben, unter dem sich archaische Verhaltensmuster verbergen. Riss für Riss werden sie bloßgelegt, die Nähe zu "Macbeth" mit den drei weissagenden Hexen, dem an sich selbst zugrunde gehenden König, ist gewollt und passt. Und sie geht noch einen Schritt weiter. Öffnet das Stück hin zum Publikum, macht es zum machtlosen Mitwisser Richards, denn ihm teilt er mit, was er vorhat, es ist Zeuge seiner machtpolitischen Ränkespiele und wird gar ins volle Saallicht getaucht, wenn Richards Vasall Buckingham dem Noch-Herzog im Namen des Volkes die Krone anträgt.

Mit Philipp Alfons Heitmann hat Jahnke zudem die ideale Besetzung für ihren Richard gefunden. Wenn er schmeichelt, tänzelt, Freunde, Kinder, Frauen töten lässt, weil sie ihm auf dem Weg zum Königsthron im Weg sind, ist der Teufel nicht an seiner Seite, wie er selbst sagt, sondern er ist der Teufel. In seiner schlimmsten Ausprägung, charmant, witzig oft, ein Mensch, der Empathie und Wärme vorgibt und doch nur aus einem eiskalten Ich besteht. Das politische Umfeld ist ihm ein perfekter Nährboden. Mit jenen, die sich auf seine Seite schlagen, weil sie eine Chance für sich wittern, und mit jenen, die ihn durchschauen, aber ihm machtlos gegenüberstehen.

Für Letztgenannte stehen vor allem die Frauen. Eigentlich sind sie nur Randfiguren in dieser Männerwelt, aber Jahnke gibt ihnen im Sinne des Wortes Stimme und Ausdruck. Sie schweißt Edwards Frau Elisabeth (Katharina Dalichau), Margarethe, die Witwe Heinrich VI. (Ulrike Knobloch), und die Mutter von Edward und Richard, die Herzogin von York (Hergard Engert), zu einem Trio zusammen, das seiner weltlichen Machtlosigkeit eine sinnliche Macht entgegenstellt. Sie raunen, singen, klagen, trauern und verfluchen, sie krallen sich in den Seelen der Männer fest, bewahren ihnen einen Rest Menschlichkeit, der ihnen im Angesicht des Todes prompt die Augen öffnet. Selbst Richard kann sich davor nicht schützen. König ist er - und nun?

Die Schlacht, in der Shakespeare ihn sterben lässt, findet im Rheinischen Landestheater nur als Zitat statt. Dafür kommen die schwarzen Müllsäcke zu einem sinnigen Einsatz. Die Toten, die Richard III. heimsuchen, bauen ihm daraus einen wackeligen Thron. Kein Halt für ihn nirgends, und so ist es kein Graf von Richmond (und Richards Nachfolger als Heinrich VII.), der ihn tötet, sondern dieser Richard geht an sich selbst zugrunde, an seiner eigenen Hybris von Macht und Skrupellosigkeit. Ein folgerichtiges Ende dieses von Philipp Alfons Heitmann kongenial gespielten Neusser Richards.

(hbm)
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