Nettetal Kleiner Überrest eines großen Krieges

Nettetal · Der Einmannbunker an der Feldstraße in Kaldenkirchen dient seit zwei Jahren als Mahnmal, ist aber offenbar vielen Nettetalern kaum bekannt. Eine Infotafel klärt über Zwangsarbeit auf, über die laut einem Zeitzeugen nie geredet wurde

 Für Hajo Siemes (vorne, Vorsitzender der WIN-Fraktion) und die Anwohner Karl Otten und Reimund Nothen (r.) ist der Einmannbunker an der Feldstraße ein wichtiges Mahnmal. Deshalb wollen sie ihn erhalten.

Für Hajo Siemes (vorne, Vorsitzender der WIN-Fraktion) und die Anwohner Karl Otten und Reimund Nothen (r.) ist der Einmannbunker an der Feldstraße ein wichtiges Mahnmal. Deshalb wollen sie ihn erhalten.

Foto: jobu

Verwittert, leicht schief und wahrlich wenig ansehnlich ist das kleine steinerne Bauwerk: Als "mahnendes Denkmal" weist zwar ein Schild den sogenannten Einmannbunker neben dem Bahnübergang an der Feldstraße in Kaldenkirchen aus. Aber so manche Nettetaler können, oder wollen, mit dem Überbleibsel aus Kriegszeiten wenig anfangen, andere hingegen verbinden damit Erinnerungen. "Vielen scheint der Bunker unbekannt, ich komme öfter da vorbei und sehe, dass Radfahrer stehenbleiben und erstaunt sind, wenn sie das Schild lesen", sagt der Kaldenkirchener Hajo Siemes.

"Auch wenn das politische Leben in der Stadt auf Zukunft ausgerichtet ist, fußt es doch auf der Vergangenheit, sie gehört einfach dazu", sagt der Vorsitzende der WIN (Wir in Nettetal)-Fraktion. Vor sechs Jahren ergriff deshalb die Wählergemeinschaft die Initiative, den Bunker als Mahnmal zu erhalten: Die Stadt Nettetal verwies auf den Bürgerverein Kaldenkirchen, der schließlich Geschichte und Bedeutung des Bunkers aufarbeitete. Seit zwei Jahren nun informiert die grüne Infotafel am Bunker darüber, dass dieser früher als Wachpostenunterstand bis zu drei Personen Schutz bot. Er sei ein "kleiner Überrest eines furchtbaren Krieges", heißt es auf dem Hinweisschild.

"Wir haben mitbekommen, wie der Bunker dort hinkam", erzählt Karl Otten. Der heute 90-Jährige, der "nicht zur Wehrmacht musste", bezweifelt, dass wirklich drei Mann in den Mini-Bunker passten: "Das hätten schon kleine Menschen sein müssen, und für ihre Gewehre wär' da drin gar kein Platz gewesen." Wie manch anderen teilt er die These, dass der Bunker wohl eher den Rangierern am Gleisabzweig Schutz bieten sollte, merkt er an.

Diesen Gleisanschluss gibt es heute nicht mehr. Damals aber war gegenüber vom Bunker, wo heute Gestrüpp wuchert, ursprünglich eine Produktionsstätte für Trockengemüse der Fortin Mühlenwerke, die bis heute in Düsseldorf ansässig sind. Im Krieg dienten die Gebäude als Lager für Gefangene aus Osteuropa: Sie wurden in Bahnwaggons über den Fortin-Gleisanschluss in ein Lager gebracht, "von dort zur Zwangsarbeit eingeteilt", wie das Bunker-Schild aufklärt. Ein Kaldenkirchener erinnert sich noch, "dass vor allem Frauen bei den Bauern mithelfen mussten". Doch offenbar wurde das Thema Zwangsarbeit in Kaldenkirchen totgeschwiegen.

"Es ist schon auffällig, dass uns jungen Leuten nach dem Krieg niemand etwas davon erzählt hat", sagt Reimund Nothen. "Das müssen doch alle mitbekommen haben, trotzdem haben sie geschwiegen." Insofern sei es nur richtig, dass das Schild am Bunker darüber aufkläre. Der 69-Jährige hat besondere Erinnerungen aus den Nachkriegsjahren an den Bunker: "Wir haben als Kinder am Bunker gespielt, es war aufregend, darauf zu klettern, darein zu kriechen und dahinter Fußball zu spielen."

Gegenüber vom Bunker auf dem Fortin-Gelände waren nach dem Krieg Soldaten der Siegermächte einquartiert. Hin und wieder gewährten sie "der Zivilbevölkerung Zugang zur Kantine", erinnert sich Nothen. Manchen Samstagsabend habe der Vater ihn und seine Schwester zur Kaserne geschickt, Fläschchen Bier aus der Kantine zu holen. "Die Soldaten waren nett, haben uns Kindern Kaugummi zugesteckt", sagt der 69-Jährige und ergänzt: "Meine Schwester traute sich dennoch nicht so recht in die Kaserne. Schwarze Soldaten hatten wir Kinder noch nie vorher gesehen."

Ansonsten waren die Kriegs- und Nachkriegsjahre für Otten, Nothen und andere eine harte Zeit. Der Bunker hält die Erinnerung daran wach: "Insofern ist er zeitgeschichtlich schon von besonderer Bedeutung, auch wenn er offiziell nicht die Kriterien erfüllt, unter Denkmalschutz eingetragen zu werden, weil es am Westwall etliche davon gab", sagt Helmut Bertges von der Unteren Denkmalbehörde bei der Stadt. So sieht das auch Siemes: "Falls im Südosten Kaldenkirchens ein Baugebiet ausgewiesen würde, müssen wir darauf achten, dass der Einmannbunker als Mahnmal erhalten bleibt." Auch wenn er verwittert, leicht schief und wahrlich wenig ansehnlich ist.

(jobu)
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