Mönchengladbach Privaten Musikschulen fehlen die Kinder

Mönchengladbach · Weil sie mehr Zeit in der Schule verbringen, bleibt Kindern kaum Zeit, ein Instrument zu lernen. Es wird schwieriger.

 Jawad Arzouni

Jawad Arzouni

Foto: Ilgner, Privat (3)

Als sich die ersten Schüler vom Unterricht abmeldeten, glaubte Klaus Müßeler noch, es liegt an ihm. "Zunächst dachte ich, ich mache etwas falsch", sagt Müßeler, der seit 19 Jahren die nach ihm benannte Musikschule leitet. Dann hörte er aus dem Kollegenkreis: Auch andernorts blieben plötzlich Schüler weg.

 Klaus Müßeler

Klaus Müßeler

Foto: Ilgner, Privat (3)

Zu wenig Freizeit, zu viel Schule - seit in Nordrhein-Westfalen das Abitur nach zwölf statt 13 Jahren gemacht wird, haben Kinder und Jugendliche weniger Zeit. Weil der Stundenplan oftmals bis in den Nachmittag reicht, bleiben andere Aktivitäten auf der Strecke. Darunter leiden die Musikschulen, klagen die Lehrer. Und: Ohne neue Konzepte könnte es bald schon um die Existenz mancher Schulen gehen.

 Nicky Gebhard

Nicky Gebhard

Foto: Ilgner, Privat (3)

Älter und später - so fasst Nicky Gebhard die Entwicklungen der vergangenen Jahre zusammen. Die Schüler würden älter und kämen später. "Heute beschulen wir zur Hälfte Erwachsene", sagt der Leiter der Musikschule Groove Institut, und: "Vor 14.30 Uhr brauchen wir eigentlich gar nicht anzufangen."

 Klaus Hoesen

Klaus Hoesen

Foto: Ilgner, Privat (3)

Denn vorher hätte sowieso niemand Zeit. Die Unterrichtsstunden am Mittag, die früher von Schulkindern belegt waren, wären heutzutage wenig gefragt. "Alles hat sich nach hinten verlagert", sagt Gebhard. Zuweilen hätte sein Institut bis 23 Uhr geöffnet. Für viele Kinder ist das natürlich viel zu spät, wenn sie denn überhaupt noch ein Instrument lernen wollen. "Die Kids, die bis 17 Uhr zur Schule gehen, sind danach platt", sagt Gebhard.

"Das Zeitfenster wird immer kleiner", sagt Jawad Arzouni, der die gleichnamige Musikschule leitet. Und wenn die Kinder dann Zeit hätten, reichten die Kapazitäten schlechterdings kaum aus, um alle gleichzeitig zu beschulen.

"Die gleiche Entwicklung können Sie bei jedem Sportverein beobachten", sagt Klaus Hoesen von der Musikschule Music Today. 800 Musiker beschulen Hoesen und sein Kollegium von Music Today, gefragt seien Klavier- und Schlagzeugunterricht; Trompete und Posaune zuletzt "eher nicht". Hoesens Schule behilft sich, in dem sie im Auftrag der Stadt auch Kurse an der Volkshochschule (VHS) sowie an weiterführenden Schulen leitet. So bleiben sie an jungen Leuten dran - und erschließen über die VHS zugleich den lukrativer werdenden Erwachsenen-Markt.

Um neue Schüler zu akquirieren, akzeptiert Jawad Arzouni Bildungsschecks, mit denen das Land finanziell schlechter gestellte Familien zu unterstützten versucht. "Das wird sehr gut angenommen", sagt er. Auch Klaus Müßeler versucht, den Schwund-Tendenzen entgegenzuwirken. Seine Musikschule leitet unter anderem Unterrichtsstunden an der Katholischen Grundschule in Hehn. "Wir bemühen uns immer, neue Angebote zu schaffen", sagt Müßeler, der auch Musikunterricht speziell für Senioren anbieten.

Nicky Gebhard setzt gleichfalls auf neue Konzepte. Das Groove Institute betreibt etwa eine hauseigene Bigband. "So etwas spricht sich schnell rum", sagt er. Zwar würde er gleichfalls gern in die Schulen gehen. Bisher aber fehle ihm der Zugang, sagt Gebhard.

Denn das ist die andere Seite der Medaille: An der städtischen Musikschule gibt es zum Teil immer noch lange Wartelisten. Darum etwa gibt Klaus Hoesen Kurse an der Volkshochschule. "Die führt er im Auftrag der Stadt durch", erklärt Frank Füser, Fachbereichsleiter Musik und Weiterbildung. Denn die Personaldecke sei nicht dick genug, um allen Nachfragen gerecht zu werden. Darum würde Beliebtes, zum Beispiel "Saxophon für Anfänger", oder Spezielles, etwa ein Didgeridoo-Kursus, zuweilen ausgelagert, sagt Füser.

Natürlich möchte kein Musiklehrer in der Zeitung lesen, ob und, wenn ja, wie schlecht es um die wirtschaftliche Kraft der eigenen Schule steht. Dass die Zeiten einmal bessere waren, daraus machen sie keinen Hehl. "Wer etwas anderes behauptet, der lügt", sagt der eine. "Es wird immer schwieriger", ein anderer.

(RP)
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