Redaktionsgespräch mit Frank Boss "Kein akuter Bedarf für mehr Video-Beobachtung"

Mönchengladbach · Der CDU-Ratsherr und Landtagskandidat spricht über die innere Sicherheit und über Mönchengladbach als Sportstadt. Und er verrät, dass das Amt des Oberbürgermeisters für ihn nicht infrage kommt.

Redaktionsgespräch mit Frank Boss: "Kein akuter Bedarf für mehr Video-Beobachtung"
Foto: Jörg Knappe

Herr Boss, Sie sind Ratsherr, waren Bezirksvorsteher, sind Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landschaftsverband Rheinland: Ist die Kandidatur für den Landtag im kommenden Jahr der Höhepunkt der politischen Karriere?

Frank Boss Das kann man schon sagen. Es eröffnet die Chance, Politik auf einer anderen Ebene zu gestalten - falls ich gewählt werde.

Haben Sie Ihre bisherigen Ämter, die bestehenden Verbindungen und Themen gut vorbereitet?

Boss Mich haben nicht so sehr die Themen in meiner beruflichen Laufbahn, sondern meine kommunal-politische Tätigkeit geprägt. Ich bin 22 Jahre Ratsmitglied und habe Politik von der Pike auf gelernt. Durch die vielen Jahre kommunalpolitischer Arbeit bekommt ein Gespür dafür, wie man den Menschen oftmals helfen kann und erfährt sehr persönlich das Ergebnis.

Ihre politische Karriere ist geprägt von einem starken Auf und Ab. Das hat viel mit dem gescheiterten Projekt "Giesenkirchen 2015" zu tun.

Boss Ich habe bei diesem Projekt in der Tat viel gelernt, sowohl was die Konzeption eines solchen Vorhabens angeht als auch die Umsetzung. Die Kommunikation ist uns damals einfach nicht gelungen. Wir waren beseelt von dem Projekt, dass wir alles andere vernachlässigt haben. "Giesenkirchen 2015" war wie ein Turmbau, der für uns immer perfekter wurde, aber das war er nicht. Heute ist allerdings ein Projekt - wie damals das Projekt 2015 - ein gängiges System, welches besonders im Sport für die Weiterentwicklung von Sportaußenflächen praktiziert wird. Schade, dass es damals nicht zum Tragen gekommen ist. Ich habe eine Menge aus den damaligen Fehlern gelernt.

Viele Beobachter sagen, Sie hätten sich danach neu erfunden. Was zeichnet den "neuen" Frank Boss aus?

Boss Es gibt keinen "neuen" Frank Boss, ich will authentisch bleiben. Es hat mich geprägt, Erfahrungen zu sammeln und in der Arbeit erwachsener zu werden.

Sie haben bei Ihrer Bewerbungsrede beim Parteitag das Thema Sicherheit betont. Sind Sie besorgt um die Sicherheit in der Stadt und im Land?

Boss Wir alle bekommen mit, welche Gefahrenlagen es gibt. Wir leben nicht in einem gelobten Land, das muss uns klar sein. Und deshalb hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière auch sein neues Sicherheitskonzept vorgestellt. Zur Sicherheit in der Kommune muss ich sagen: Ja, die Kriminalität wächst. Einbrüche haben massiv zugenommen. Da sind hochprofessionelle Banden unterwegs, die von weit her eingeschleust werden. Das beschäftigt uns auch im Polizeibeirat. Man sollte einmal über effektivere Kontrollmechanismen an Autobahnen nachdenken. Denn das sind die Fluchtwege dieser Banden. Die innere Sicherheit im Land ist sehr wichtig. Deshalb ist es richtig, die Polizei personell aufzustocken. Hoffentlich kommt davon auch in Mönchengladbach etwas an.

Wie viel Freiheit muss der Bürger bereit sein aufzugeben für die innere Sicherheit?

Boss Wenn der normale Bürger den Ruf nach Sicherheit äußert, und das macht er nachvollziehbarerweise, dann kann man das nie bekommen, ohne andere Dinge in Kauf zu nehmen. Man muss mit aller Sensibilität mit dem freiheitlichen Gut, zum Beispiel dem Datenschutz, umgehen. Wenn man über neue Wege der Sicherheit nachdenkt, muss die Bereitschaft der Bürger dazu auch da sein. Sonst fahren die Gangster mit einem Sportwagen und die Polizei mit einem Kleinwagen.

Gehört dazu auch mehr Videobeobachtung des öffentlichen Raumes? Die Beobachtung am Alten Markt soll fortgesetzt werden.

Boss Videobeobachtung kann nicht nach Windrichtung gehen, sondern die Basis dafür muss ein nachweislich erkennbarer krimineller Schwerpunkt sein.

Wie am Platz der Republik?

Boss Genau über diese Stelle ist vor einiger Zeit gesprochen worden, auch im Polizeibeirat. Die Einschätzung der Polizei ist, dass man an dieser Stelle mit der klassischen Observierung derzeit besser vorgeht als mit Videokameras. Denn der Platz ist sehr schlecht beleuchtet, alles spielt sich im Dunkeln ab. Damit Kameras an der Stelle effektiv sind, bräuchte es erstmal eine komplett andere Beleuchtung. Deshalb gibt es dort gegenwärtig sehr starke Observationsmaßnahmen.

Und an anderen Stellen in der Stadt?

Boss Jede Videobeobachtung muss vom Land genehmigt werden. Nach meiner Kenntnis gibt es im Moment keinen Ort mit akutem Handlungsbedarf zur Videobeobachtung. Ganz grundsätzlich glaube ich aber, dass verstärkt Überwachung mit Kameras im öffentlichen Raum Einzug halten wird. Parteipolitisch bekommt dieses Thema mittlerweile einen anderen Stellenwert auch bei Kräften, die das früher konsequent abgelehnt haben.

Sie treffen im Wahlkampf auf Hans-Willi Körfges, ein politisches Urgestein der SPD. Können Sie gut miteinander? Was wird das für ein Wahlkampf?

Boss Wir kennen uns schon sehr lange. Wir haben ein gutes, neutrales Verhältnis. Wir haben uns schon zu früheren Zeiten sachlich sehr intensiv auseinandergesetzt, aber nie einen polemischen Clinch gehabt. Das schätze ich sehr an Hans-Willi Körfges. Das wird es auch jetzt nicht geben. Wir werden uns in der Argumentation so intensiv wie möglich auseinandersetzen.

Sie waren auch im Gespräch für eine Oberbürgermeister-Kandidatur, haben aber doch nie Ihren Hut in den Ring geworfen. Ist es nun bei der Landtagswahl anders, weil die Chancen besser sind?

Boss Nein. Ich habe mir das Amt des Oberbürgermeisters genau angeschaut. Es gab Phasen, in denen ich gedacht habe: Das wäre eine große Sache. Aber ich habe mir von Anfang an die Frage gestellt, ob ich das wirklich will. Recht früh habe ich für mich die Entscheidung getroffen, dass es für mich und auch meine Familie nicht in Frage kommt. Nicht wegen Selbstzweifeln, sondern weil ich nicht das Gefühl bekam, es wirklich machen zu wollen. Diese Klarheit ist jetzt da. Im Landtag hat man andere Chancen, Politik zu machen.

Ist Politik im Landtag nicht viel theoretischer, weiter weg vom Bürger?

Boss Das liegt an jedem einzelnen Abgeordneten. Man kann die Landespolitik viel näher an die Menschen heranbringen, es liegt daran, wie man seine Arbeit macht.

Sie sind Vorsitzender des Sportausschusses: Wie sehr ist Mönchengladbach Sportstadt, abgesehen von Borussia?

Boss Wir sind auf dem Weg, das weiter auszubauen. Der Deutsche Hockey-Bund wird hier sein nationales Leistungszentrum errichten. Und die Tour de France 2017 in Gladbach ist eine Riesennummer.

Aber interessieren die Sportler nicht eher Probleme mit den Sporthallen und steigende Mitgliedsgebühren beim Stadtsportbund? Definiert sich die Sportstadt über Events oder über diejenigen, die die Sportarten an sich leben?

Boss Natürlich findet die Sportstadt im Breitensport statt, die Highlights unterstreichen diesen Anspruch aber. Wir haben eine gute sportliche Infrastruktur. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren als Stärkungspaktkommune mehr als 40 Millionen Euro in die Schwimmbäder gesteckt. Wir haben jetzt elf Kunstrasenplätze, und es werden mehr. Wir werden im nächsten Sportausschuss über die Liste zur Verteilung der Sportpauschale reden müssen. Da stehen eine Menge Maßnahmen drauf, die Liste ist völlig überzeichnet. Aber wir versuchen, woanders Geld herauszuholen, zum Beispiel aus dem Topf Kommunalinvestitionsförderungsgesetz.

Der Stadtsportbund wünscht sich ein Haus des Sports. Was sagen Sie?

Boss Die Idee Campuspark, Sportanlage und ggf. ein Haus des Sports in der Nähe der Hochschule ist im Moment blanke Theorie, aber die Idee ist großartig.

Letzte Frage: Die Baustelle des neuen Polizeipräsidiums ruht weitgehend. Wird es noch 2017 eröffnet?

Boss Ich halte eine Eröffnung 2017 für unrealistisch. Durch das Vergabeverfahren ist alles ins Stocken geraten. Wir können nur immer wieder appellieren, dass das Verfahren endlich entschieden wird.

ANDREAS GRUHN, RALF JÜNGERMANN, KARSTEN KELLERMANN UND DIETER WEBER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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