TSV Bayer 04 Das Erbe der goldenen Zeiten

Der Vorstand des TSV Bayer 04 stimmt seine Mitglieder auf finanzielle Einschnitte und höhere Beiträge ein. Es ist der Versuch eines Vereins, das All-Inclusive-Angebot vergangener Tage der Realität des erzwungenen Sparens anzupassen – auf dem Vereinskonto wie in den Köpfen.

Der Vorstand des TSV Bayer 04 stimmt seine Mitglieder auf finanzielle Einschnitte und höhere Beiträge ein. Es ist der Versuch eines Vereins, das All-Inclusive-Angebot vergangener Tage der Realität des erzwungenen Sparens anzupassen — auf dem Vereinskonto wie in den Köpfen.

Der Protagonist verlässt die Bühne. Müde, aber erleichtert. Mit einem Blumenstrauß in der Hand steuert Klaus Beck an diesem Abend gegen viertel vor zehn aus der Herbert-Grünewald-Halle. Die gut drei Stunden zuvor hätten für den Vorsitzenden des TSV Bayer 04 sehr unangenehm werden können. Das wusste er. Doch den zu Beginn der Versammlung anwesenden 172 Mitglieder schien nicht nach kritischen Fragen zu sein, nach Rebellion auf breiter Front schon gar nicht.

Es war womöglich clever, die rührseligen Ehrungen der erfolgreichen Vereinssportler den schwierigen Themen Sparzwang und Beitragserhöhung vorangestellt zu haben. Die Stimmung ist gut in dieser Phase und erlebt ihren informativen Höhepunkt, als Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius am Mikrofon zugibt, nach ihrem Karrierende aber "null komma null Motivation verspürt" zu haben, sich zu bewegen.

Und womöglich ist danach manch einer abgeschweift, als Beck, eingebettet in seine gut 20-minütige Rede Sätze wie diesen verkündet: "Für uns im Geschäftsführenden Vorstand gibt es momentan keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die finanzielle Situation absehbar auch nur ansatzweise in Richtung eines Niveaus von vor fünf oder zehn Jahren entwickelt." Oder wenn er bittet, Nachsicht walten zu lassen, wenn demnächst zwei Fünfer-Kurse zu einem Zehner Kurs zusammengelegt würden und die Rasenflächen nicht mehr so oft "geschnitten werden wie zuvor".

Erst als Vorstandskollege und Schatzmeister Karl-Heinz Kleedörfer anschließend Zahlen und immer wieder ein "Minus" verkündet, werden manche Mienen betretener. 650 000 Euro Minus in 2009; das Vereinsvermögen sinkt damit auf 2,1 Millionen Euro; das Anlagevermögen (vor allem der Wert der Sportanlagen) sinkt um 1,1 auf 15,2 Millionen Euro; 27 000 Euro weniger an Mitgliedsbeiträgen. Kleedörfer sagt, wenn es ihnen allen nicht gelinge, diesen Negativtrend zu stoppen, habe der Verein ein existenzielles Problem.

Er spricht von einer "bedrohlichen Entwicklung" der Eigenkapitalaustattung und "neuen Herausforderungen." "Unter allen Umständen muss zumindest ein ausgeglichener Haushalt das Ziel der kommenden Jahre sein", sagt Kleedörfer schließlich, um nach dieser düsteren Einleitung — und sehr, sehr breiter Zustimmung zur Entlastung des Vorstands und des Kassenberichts — den Bogen zum Thema Beitragserhöhungen zu spannen.

Im Wechsel mit Vorstandskollegin Anne Wingchen, die nach dem Wunsch der Führungsriege die Nachfolge der scheidenden Reiner Moschall (30. Juni) und Otto Reintjes (30. November) antreten soll, stellt Kleedörfer Folgendes vor: Die seit 1. Januar 2006 geltenden Beiträge erhöhen sich für zum 1. Juli 2010 im Schnitt um 1,50 bis zwei Euro monatlich, die Aufnahmegebühren bleiben allerdings konstant (siehe Infokasten).

An dieser Stelle gib es dann doch einmal zaghafte kritische Nachfragen aus der Breitensportabteilung. Ob man nicht Kündigungen befürchte und warum die Erhöhung zum 1. Juli? Antwort von der Vorstandsempore: Man sei bereits zu Jahresbeginn in finanzielle Vorleistung gegangen, benötige also die kalkulierten Mehreinnahmen von bis zu 180 000 Euro jährlich dringend.

Eine "Nutzerorientierte Beitragsstruktur", bei der jeder für das zahle, was er in Anspruch nehme, sei von einer von Professor Lutz Thieme (Uni Remagen) geleiteten Arbeitsgruppe vorgeschlagen worden. Noch sei man aber nicht so weit, sagt Wingchen.

Schließlich ist es Fecht-Olympiasieger und Vorstandsmitglied Sport, Arnd Schmitt, der die Harmonie zurück an die langen Tische bringt. Er habe viele Vereine kennengelernt, und nirgendwo bekomme man für einen so geringen Beitrag so viel geboten. Was er sagt, macht die Abstimmung über die Beitragserhöhung danach zur Formalie — und beschreibt gleichzeitig die größte Herausforderung des Vereins in naher Zukunft.

(RP)
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