Im Alter von 85 Jahren: Filmemacher Michael Verhoeven gestorben
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Krefeld Horrorparty mit hohem Spaßfaktor

Sex, Drag und starke Beats: Die Premiere der Rocky Horror Show geriet zum ohrenbetäubenden Vergnügen. Das Publikum feierte fröhlich mit. Und das Ensemble füllte die Kult-Figuren mit schillerndem Leben. Ein Muss für eingefleischte Fans.

Rocky Horror Show feierte Premiere
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Tiefes Mitgefühl gebührt in den kommenden Monaten den Reinigungskolonnen, die das Theater picobello halten müssen. Seit dem Wochenende ist das eine Sisyphusarbeit. Denn das Theaterpublikum benimmt sich nicht gerade gesittet: Es hinterlässt Reisberge und endlose Toilettenpapierschlangen am Ende einer langen Vorstellung. Für Frank Matthus lässt sich am Ausmaß der Verwüstung der Erfolg seiner Arbeit ablesen. Denn er hat "Theater im Ausnahmezustand" inszeniert: die Rocky Horror Show.

Vielleicht gilt die Warnung am Anfang eben jenen Raumpflegern: Magenta, die lebende Horrorvorstellung von einer flammend rothaarigen Hausdame in Netzstrümpfen und Ledermieder, raunt dem Publikum zu: "Ihr werdet Dinge erleben, die ihr nie erleben wolltet." Natürlich lässt sich kein Premierenbesucher abschrecken. Im Gegenteil, die Ersten quieken erwartungsvoll. Sie sind ja wegen der Männer auf Highheels und der schrillen Lederdessous gekommen und haben sich gut vorbereitet. In großen Taschen und Plastiktüten haben sie Reis, Taschenlampen, Leuchtstäbe, Partyhüte und Toilettenpapier herangeschafft. Drei Stunden später werden Matthus, das Ensemble, die Zuschauer und der Putzdienst wissen: Ja, es war ein Erfolg.

Das Spektakel um einen biederen jungen Mann und seine brave Verlobte, die nach einer Autopanne in einem merkwürdigen Schloss voller sexuell überdrehter Transsylvanier stranden, fesselt auch nach fast 40 Jahren noch. "Rocky Horror" ist Kult. Und dem verpasst Matthus eine Frischzellenkur. Richard O'Briens frühe Form des interaktiven Theaters wird zur schrillen, lauten Party.

Die Zuschauer sind in Feierlaune, nur wenige sind skeptisch, ob das Ensemble an die Ikonen des Originals herankommt. Esther Keil als Magenta lässt Bestes hoffen. Verheißungsvoll böse haucht und röhrt sie ihre Empfehlung: "Don't dream it, be it". Und spätestens als der Meister auftritt, sind alle Zweifler überzeugt: Adrian Linke verbietet mit dem ersten Aufschlag seiner falschen Wimpern als Frank 'n' Furter alle Vergleiche mit dem legendären Tim Curry. Lasziv wiegt er die Hüften, wenn er auf Absätzen stöckelt, mit denen er selbst Heidi Klum beeindrucken könnte. Das Publikum tobt. Sex und Drags und dazu dröhnende Beats: Die schrillen 70er leben.

Streng geregelte Vorgaben für den Ablauf, die Bühne, die Musik und die Kostüme hatte Regisseur Matthus zu erfüllen. Sein Trumpf ist das Ensemble — und ein Publikum, das in der Spielfreude kaum nachsteht. In der Verlobungsszene fliegt kiloweise Reis aus den Rängen. Es gibt einen "Knigge", was wann wie zu rufen und zu werfen ist. Die meisten Besucher brauchen ihn nicht. Manchmal schallt der Text aus dem Publikum sogar noch einen Tick früher als auf der Bühne. Und wenn das Publikum mit den ganzen "Uuuh" Rufen für Dr. Scott (Joachim Henschke), den "Pschts" für Eddie (Felix Banholzer) und den Freestyle-Einwürfen durcheinandergerät, dann tritt beherzt der Regisseur auf mit einer Verwarnung.

Doch die Stimmung kippt zum Glück nicht — die Akteure reißen mit. Schnell wird klar, warum ein Stück, das gar keins ist, mit Texten, die den literarischen Wert einer Netzstrumpfhose haben ("Meister, ich bitte um nichts" - "Und du sollst es im Überfluss erhalten"), auch noch funktioniert, wenn die Freizügigkeit, die vor 40 Jahren noch schockieren wollte, nur amüsiert. Genau das tut es, es amüsiert — auch Damen, die sonst ein Faible für die Klassik hegen, springen beim "Time Warp" auf und reißen die Arme in die Höhe.

Matthias Oelrich als steifer Erzähler genießt es sichtlich, sich aus der Menge mit "Boring"-Rufen als Langweiler beschimpfen zu lassen. Ronny Tomiska schafft das Widersprüchliche: Er lässt die Farblosigkeit des biederen Brad schillern. Felicitas Breest zeigt als Janet mit zuckersüßer Quietschestimme die Unschuld aus der Provinz, die sich allzu gern erotisch erwecken lässt. Johanna Maria Burkhart ist mit Bühne und Kostümen ganz nah am Original — vom Kunstgeschöpf Rocky (Cornelius Gebert) in den Goldschühchen über die nölige Columbia (Helen Wendt) bis zu den schrillen Transsylvanians.

Für den Riff-Raff (grandios böse: Paul Steinbach) gibt es Szenenapplaus. Adrian Linke ist als Frank'n'Furter der Leder und Straps gewordene Alptraum der feinripp-bewamsten Bravbürger. Dass er lustvoll in die dunkelsten Tiefen eines Charakters vordringt, hat er als bitterböser Conferencier in Shockheaded Peter bewiesen. Genüsslich heizt er die Stimmung an. Verbündete sind die Musiker der von Willi Haselbek geleiteten Rocky Horror Band. Live und in Knallfarben erzielten die Ohrwürmer ihre Wirkung. Und mancher Zuschauer hatte am Ende schon die Tickets für eine kommende Vorstellung in der Tasche. Und die Reinigungsprofis werden auch nach den folgenden 21 Aufführungen noch alle Hände voll zu tun haben.

Kartentelefon 02151 805125

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