Hilden Ein-Euro-Handy: Schuldenfalle für Junge

Hilden · Schuldnerberatung: knapp 16 Prozent der Ratsuchenden sind unter 30 alt. Ihre Gläubiger sind Mobilfunkanbieter.

 Immer mehr junge Leute geraten durch Handyverträge in die Schuldenfalle, Stefanie Keller hat die Kosten indes im Griff.

Immer mehr junge Leute geraten durch Handyverträge in die Schuldenfalle, Stefanie Keller hat die Kosten indes im Griff.

Foto: Hans Jazyk

Für junge Leute ist ein cooles Handy ein "Must have", ein Statussymbol, das man um jeden Preis haben muss. Ben (Name geändert) ist da keine Ausnahme. Der 21-Jährige legte sich ein angesagtes Smartphone zu - für nur einen Euro: "War ganz einfach. Eine Unterschrift, das war's." Und weil's so einfach war, unterschrieb Ben gleich zweimal: "Für einen Kumpel." Dumm nur, dass der das teuere Handy gleich weiterverkaufte.

Plötzlich saß Ben auf einem Schuldenberg von mehreren tausend Euro - und wusste gar nicht, wie ihm geschah. "Junge Leute wie Ben wissen nicht, was eine Unterschrift bedeutet", hat Schuldnerberater Hubert Bader, Geschäftsführer des Sozialdienstes Katholischer Frauen und Männer Hilden, festgestellt: "Sie sind wirtschaftlich unreif." 15,67 Prozent der Ratsuchenden der SKFM-Schuldnerberatung im vergangenen Jahr waren 20- bis 30-Jährige: "Alle hatten Schulden bei Mobilfunkanbietern. 80 Prozent lesen Allgemeine Geschäftsbedingungen praktisch nie. Das wird einfach ausgeblendet."

Die gute Nachricht: Weil die jüngeren Schuldner noch relativ jung und ihre Verbindlichkeiten nicht so hoch wie bei Älteren sind (30- bis 39-Jährige haben die höchsten Schulden), gelinge es ihnen auch schneller, aus dem Schuldenspirale wieder herauszukommen. Durch frühzeitige Aufklärung in der Schule könne man da einiges bewirken, glaubt Bader: "70 Prozent der Jugendlichen erwarten, in der Schule über wirtschaftliche Zusammenhänge informiert zu werden. die Flut an Informationen über das Internet hilft da wenig weiter." Deshalb hat der SKFM ein Vorbeuge-Programm für Kindergärten und Schulen entwickelt. Im vergangenen Jahr nahmen 541 Kinder und Jugendliche daran teil. Die Stadt Hilden finanziert das Programm mit 20 000 Euro jährlich.

464 Personen oder Familien hat die Schuldnerberatung im vorigen Jahr geholfen. Die Zahl der Langzeitberatungen (185) steigt, die der Kurzberatungen (279) geht leicht zurück, beobachtet Bader. Trend: Anders als früher haben die Schuldner immer mehr Gläubiger. 43 Prozent der Ratsuchenden im vergangenen Jahr hatten mehr als zehn Gläubiger. Die meisten (35,6 Prozent) haben zwischen 10 000 und 25 000 Euro Schulden, 21 Prozent unter 10 000 Euro, aber 21,6 Prozent auch zwischen 25 000 und 50 000 Euro. In solchen Fällen bleibt nur noch eine private Insolvenz als Ausweg, sagt Bader: "Den meisten ist das peinlich. Sie haben zuvor meist alles Möglich oder Unmögliche versucht, um das zu verhindern."

Das Insolvenzverfahren sei freilich mit vielen Hürden verbunden: Schulden sichten, Aufstellen und Einhalten von Haushaltsplänen, Einhalten von Absprachen und Terminen: "Manche Ratsuchende scheitern daran oder benötigen mehrere Anläufe." 55 Insolvenzverfahren hat die Schuldnerberatung im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht. Sechs lange und harte Jahre müssen die Schuldner durchhalten: Erst dann sind sie ihre Schulden endgültig los.

Zum 1. April wurde das Insolvenzrecht reformiert. Danach kann die Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre verkürzt werden. "Das ist mit sehr hohen Hürden verbunden", klärt der SKFM-Geschäftsführer auf: "Etwa 50 Prozent der Hauptforderungen und Verfahrenskosten müssen dafür auf den Tisch gelegt werden. Das schaffen die allerwenigsten." Die Wartezeit bei der Schuldnerberatung beträgt derzeit mehr als ein Jahr. "Die Existenzberatung gibt es bei uns sofort", betont Bader: "Der Weg raus aus den Schulden ist aber meist lang und steinig."

(RP)
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