Duisburg Spenden erzählen Geschichte(n)

Duisburg · Vordergründig zählt es nur dröge Daten auf, doch bei näherem Hinsehen wird deutlich: Das Kollektenbuch der Evangelischen Kirchengemeinde Essenberg-Hochheide birgt einen Schatz an Wissen. Jetzt wird es geschlossen.

Hochheide (skai) Die Leute sind im Geld geschwommen, und doch war das alles andere als ein Grund zur Freude. Die 59 Billionen Mark, die in nur drei Monaten bei den Sammlungen in der Evangelischen Kirchengemeinde Hochheide, der jetzigen Kirchengemeinde Essenberg-Hochheide, zusammenkamen – sie erzählen von einer bitteren Zeit. Denn das ereignete sich in den letzten drei Monaten des Jahres 1923, die Geldentwertung hatte Deutschland im Griff. Die zwölfstelligen Zahlen im Kollektenbuch der Gemeinde spiegeln die Zeit von Hunger, Sorge, zerschlissener Kleidung .

Unter dem Faschismus

Es sieht abgegriffen aus, die Seiten an den Rändern zerfleddert, die Tinte ist in Teilen blass. Aber das Kollektenbuch der Kirchengemeinde Essenberg-Hochheide birgt einen Schatz an Wissen. Nun ist die letzte Seite vollgeschrieben. Am morgigen Sonntag um 10 Uhr wird Pfarrer Johannes Berghaus es im Gottesdienst offiziell schließen. Danach liegt es im Gemeindehaus zum Anschauen aus.

Der erste Eintrag vom 2. April 1922 notiert 539 Mark für notleidende Alte. Später geht das Geld an ein Waisenhaus, die Kaiserswerther Diakonie, die Seemannsmission – eigentlich ähnlich wie heute auch. "Das ist eine unglaubliche Kontinuität", erkennen die Pfarrer Johannes Berghaus und Matthias Immer beim Durchblättern.

Nach der Inflation erholt sich die Wirtschaft, die Spendenbeträge bewegen sich nicht mehr in astronomischen Höhen. Dann die Zeit des Faschismus: Erleichternd, dass zumindest beim Überfliegen der Zahlenkolonnen keine Spenden im direkten Zusammenhang mit den Nationalsozialisten auffallen.

18,85 D-Mark fürs Waisenhaus

Dennoch macht sich der Krieg bemerkbar. Und zwar nach seinem Ende: Für die Kriegsopferfürsorge, kirchliche Osthilfe, das Versorgungshaus Vluyn wurde gesammelt. "Nicht für die eigene Gemeinde. Im Gegenteil, die Menschen aus dem Ort hatten sich an der zerstörten Kirche bedienen dürfen, Ziegeln nehmen für die eigenen Häuser. Denn wichtiger als der Kirchenzustand war, dass die Menschen ein festes Dach über dem Kopf hatten", berichtet Berghaus.

Erst 1947 ging es los mit Sammlungen auch für die eigene Gemeinde, die Glocken, die Orgel. Doch dafür kam weniger zusammen als für andere Zwecke. Eine frühe Spende in der neuen Währung D-Mark etwa ging 1949 an ein Waisenhaus und betrug 18,85 Mark. Gleichzeitig kamen 5,14 Mark für Orgel und Glocken zusammen.

"Ich freue mich, wenn ich sehe, dass die Gemeindeglieder nach dem Krieg nicht nur sich selbst im Blick gehabt haben oder die Belange der Kirchengemeinde, sondern auch die Not der anderen", sagt Matthias Immer.

(RP)
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