Duisburg Ringelnatzabend: Turngedichte im Schifffahrtsmuseum

Duisburg · "Kultur und Tafelfreuden", unter diesem Motto stand der Literaturabend "Ein Kröpel auf hoher See", den das Ruhrorter Binnenschifffahrtsmuseum veranstaltet hatte.

Eingeladen dazu waren aber nicht nur Literaturliebhaber, sondern auch Gaumenfreunde. Denn zum einen stellte der pensionierte Schulleiter und ehemalige Deutsch- und Physiklehrer der Marxloher Herbert Grillo-Gesamtschule, Friedrich Marona, in dem dreistündigen und dennoch kurzweiligen Vortrags- und Leseabend gekonnt und detailgenau recherchiert den Schriftsteller Joachim Ringelnatz und sein lyrisches Werk vor.

Zum anderen servierte Gastronom Marcus Dworaczek vom Museumsrestaurant "Schiffchen" dazu ein viergängiges auf Inhalt und Ambiente abgestimmtes maritimes Menü. Originell ausgesucht als passenden Austragungsort der "Turngedichte" und anderer Ringelnatz-Texte hatte Museumsdirektor Dr. Bernhard Weber dafür die ehemalige Damen-Schwimmhalle der Ruhrorter Badeanstalt im heutigen Museum der Deutschen Binnenschifffahrt.

Gut 60 begeisterte Zuhörer und Gourmetfreunde genossen die gelungene Vortrags- wie Servierkunst des Abends. Dabei durfte es bei den Speisen, darunter Labskaus und Leipziger Allerlei, durchaus mal ebenso rustikal zugehen wie bei der Auswahl der Ringelnatz-Literatur.

Denn die vom Dichter geschaffene Kunstfigur "Kuttel Daddeldu", mit der er spätestens die heutige Berühmtheit erlangte, war keineswegs immer jugendfrei und kam zudem recht derb daher, wie beispielsweise das Gedicht von der "Riesendame der Oktoberwiese" - genannt "Emmy, der weibliche Koloss" -, in dem es unter anderem heißt: "Dort bot sich triefenden Quartanerlüsten, die Lavamasse von alpinen Brüsten."

Joachim Ringelnatz (1883 — 1934), mit bürgerlichem Namen Hans Gustav Bötticher, war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Kabarettist, beispielsweise in der Münchner Künstlerkneipe Simpliczissimus und später an der Berliner Kleinkunstbühne "Schall und Rauch". Und er war auch Maler, der (fast) alle seine Bücher selbst illustrierte. Marona, der von der Kommandobrücke der "Hermann" aus las, das ist ein in diesem Museumstrakt nachgebautes Binnenschiff, sprach von ihm als einem "Vagabunden auf dem Ozean des Lebens", dessen "Lebenslust" ihn begeistert.

So seien viele seiner Gedichte, zugleich auch Gedichte über das Leben des Autors und seine Einstellung dazu. Für ihn sei er ein "Philosoph und Quergeist zugleich, ein Bänkelsänger, eine Art Eulenspiegel und ein großes Kind dazu", dessen Leben die Nazis ihm genommen haben, weil sie ihm ein Schreib- und Auftrittsverbot auferlegten. Museumsleiter Dr. Weber ließ keinen Zweifel, dass die Veranstaltungsreihe fortgesetzt wird.

(RP)
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