Duisburg Irrelevante Patienten im Medizin-System

Duisburg · Das 15. Rathausgespräch befasste sich am Sonntag mit dem deutschen Gesundheitssystem.

Operation gelungen, der "Patient Gesundheitswesen" leidet aber nun unter den Nebenwirkungen. So könnte man den Tenor des 15. Rathausgesprächs umschreiben, das sich am Sonntag um die Frage drehte, ob dies an der wirtschaftlichen Orientierung im Gesundheitswesen liegen könnte. Übereinstimmende Diagnose: Ja - aber welche Therapie ist die richtige?

Moderatorin Randi Crott begrüßte auf dem Podium einen der Initiatoren der Rathausgespräche: Prof. Dr. Wilhelm Sandmann ist anerkannter Chirurg und verfügt über eine langjährige Erfahrung, die er in verschiedensten Krankenhäusern sammelte. Ferner auf dem Podium: Prof. Boris Augurzky (Wirtschaftsforscher und Politikberater im Bereich des Gesundheitswesens), Ex-AOK-Rheinland-Chef Wilfried Jacobs und Patientenanwalt Carlos A. Gebauer.

Im Jahr 2004 wurde dem Patienten "Gesundheitswesen" eine Krankenhausreform verordnet, wonach nicht mehr die Liegedauer eines Patienten vergütet, sondern nach Fallzahlen abgerechnet wird. In der Folge stiegen die OP-Zahlen der Krankenhäuser u.a. vor allem bei lukrativen Hüft-Operationen.

Nach Beobachtungen über einen Zeitraum von drei Jahren, so Wilfried Jacobs, der heute Geschäftsführer des Instituts für patientenorientierte Versorgungsablaufforschung ist (und die kassenärztliche Vereinigung in der heutigen Zeit für überflüssig hält), könne er die These aufstellen, dass "selbst ohne Patienten in einem Krankenhaus Vollbeschäftigung herrschen würde". Trotz großem Aufwand würden Abläufe immer noch nicht funktionieren, weil das Geld die Behandlung der Patienten steuere und nicht die medizinische Notwendigkeit. Die Bilanzen würden heute über die Existenz eines Krankenhauses entscheiden, doch das System sei veraltet: es werde die Menge finanziert und nicht Erfolg und Pflege.

In diesem Punkt stimmte ihm Carlos A. Gebauer, Anwalt für Versicherungs- und Medizinrecht, zu: "Der einzelne Patient ist in diesem System irrelevant." Manchmal stritten sich Kassen und Krankenhäuser über vermeintlich mangelhafte Leistungen bis in die letzte Instanz, ohne dass der betroffene Patient je davon erfahren würde. Das Geld, das der Rechtsstreit koste, könnte man besser in die bessere Versorgung der Patienten stecken.

Auf der anderen Seite berichtete Prof. Dr. Sandmann von einem Fall, bei dem ein Krankenhaus für einen Patienten mit Brechdurchfall für einen dreitägigen Aufenthalt mit "Infusionen, Tee und etwas Zwieback" statt 1200 Euro eine Sepsis abrechnete: Kosten 5000 Euro. Weder Krankenhaus-Ärzte noch Patienten (es sei denn, sie sind privat versichert) erhalten im Normalfall Kenntnis über das, was die Krankenhäuser den Kassen in Rechnung stellen.

Die Experten auf dem Podium forderten eine Reform, die den Patienten in dem Mittelpunkt stellt und Vergütungen für Qualität statt für Quantität. Prof. Sandmann: "Ein gut operierter Patient bringt zwei neue!".

Um dies nach außen sichtbar zu machen, so Prof. Augurzky, müsse durch mehr Transparenz der Krankenhäuser gute von schlechter Qualität der Leistungen getrennt werden. Ziel müsse es sein künftig gute Ergebnisse einer Behandlung (z.B. mit Aufschlägen) zu vergüten. Aber es werde auch künftig kein perfektes System geben.

Mit Nebenwirkungen muss also auch in Zukunft gerechnet werden.

(awin)
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