Vermisster Paul in Düsseldorf befreit Hilfskoch soll Kind missbraucht haben

Düsseldorf · Der von einer Spezialeinheit in Düsseldorf befreite Junge aus der Schweiz soll sexuell missbraucht worden sein. Gegen einen 35-jährigen Hilfskoch wird ermittelt. Er sitzt in Untersuchungshaft.

SEK stürmt Wohnung in Düsseldorf-Hassels
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Vermisster Junge: SEK stürmt Wohnung in Düsseldorf

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Foto: Daniel Bothe

Es ist kurz nach ein Uhr am frühen Sonntagmorgen, als Michael K. vom Schützenfest nach Hause in seine Wohnung im Düsseldorfer Süden kommt. Der 49-Jährige will gerade zu Bett gehen, als er einen lauten Knall im Dreiparteienhaus hört. Er zieht sich schnell was über und geht ins Treppenhaus, um nachzusehen, was passiert ist. Als er in den Hausflur tritt, steht plötzlich ein schwer bewaffneter Elitepolizist in Kampfmontur vor ihm. K. fragt, was los sei. Der Polizist schickt ihn zurück in die Wohnung und sagt ihm, dass er die Tür schließen soll. Es sei aber alles in Ordnung. Er müsse sich keine Sorgen machen. K. tut, was der Beamte ihm sagt und geht wieder rein. Aus dem Fenster sieht er dann, wie Polizisten einen Mann abführen. "Die hatten dem eine Decke über den Kopf gelegt, so dass ich nicht sehen konnte, wer der Mann war", sagt K. später. "Ich habe gedacht, das wäre ein Einbrecher." Erst am nächsten Morgen erfährt K., dass es kein Einbrecher gewesen ist, den das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei abgeführt hat, sondern sein Nachbar Werner C. (35).

Kind seit dem 18. Juni vermisst

Das SEK war gekommen, um einen zwölf Jahre alten Jungen aus der Wohnung von C. zu befreien. Das Kind aus Gunzgen im Schweizer Kanton Solothurn war am 18. Juni von seinen Eltern als vermisst gemeldet worden. Er war äußerlich unversehrt, als die Beamten ihn fanden und ihn anschließend wieder seinen Eltern übergaben.

Der 35-jährige, der in Düsseldorf in Untersuchungshaft sitzt, wird verdächtigt, für das Verschwinden des Kindes verantwortlich gewesen zu ein. "Wir ermitteln gegen ihn unter anderem wegen Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und dem Besitz kinderpornographischer Schriften", sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Die Anklagebehörde hatte den Haftbefehl gegen den Beschuldigten ausgestellt, weil sie als Zentralstelle für Internetkriminalität in Deutschland für solche Verbrechen die Ermittlungshoheit besitzt. Selbst das FBI aus den USA wurde kurzzeitig eingeschaltet, konnte aber nicht helfen.

Online-Game "Minecraft"

Die Schweizer Sicherheitsbehörden waren bei ihrer Suche nach dem Jungen durchs Internet auf die Spur von C. gekommen. Auf dem Computer des Kindes entdeckten sie, dass C. seit etwa einem Monat mit dem Zwölfjährigen das Online-Game "Minecraft" gespielt hatte - zum Teil mehrere Stunden täglich. Die beiden chatteten regelmäßig. Dabei unterhielten sie sich meistens über das Spiel. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Junge während dieser Gespräche irgendwann den Entschluss gefasst haben muss, von zu Hause abzuhauen und zu C. nach Düsseldorf zu fahren. Kurz vor seinem Verschwinden erzählte er Freunden, dass er bald nicht mehr zur Schule kommen werde. Warum, soll er ihnen aber nicht gesagt haben. "Er hat über mehrere Wochen auf einer Strichliste Tage weggestrichen hat, so als würde er sich auf etwas freuen", sagte Urs Bartenschlager, Chef der Kriminalpolizei Solothurn. Wie der Zwölfjährige genau nach Düsseldorf kam, will Bartenschlager allerdings noch nicht sagen, nur so viel: "Wir gehen davon aus, dass er sein Verschwinden geplant hat."

Nicht als Pädophiler bekannt

Der Beschuldigte war der Polizei vor seiner Festnahme nicht als Pädophiler bekannt gewesen. "Er war nur wegen Betrugsdelikten aktenkundig", so ein Sprecher der Polizei Düsseldorf. Der 35-Jährige arbeitete als Hilfskoch in einem großen Düsseldorfer Unternehmen. In der Wohnung, die in einer Sackgasse in einem südlichen Stadtteil der Landeshauptstadt liegt, lebte er seit 13 Jahren zur Miete. Anlieger beschreiben ihn als ruhig, unauffällig und unscheinbar; als einen hilfsbereiten jungen Mann, der stets freundlich gegrüßt hat. Im Internet bot er auf seiner Homepage Hilfsdienste aller Art an - vom Gassi gehen mit dem Hund bis zur Hausaufgabenhilfe. "Vor allem bei Problemen mit dem Computer konnte ich immer auf seine Hilfe zählen. Mit den Dingern kannte er sich echt gut aus. Er gab sogar Computerkurse für Erwachsene", berichtet sein Nachbar Michael K. Der 35-Jährige, der in einem Heim aufgewachsen ist, soll keine Freundin gehabt haben. "Eine Frau habe ich bei ihm nie gesehen. mit denen hatte er es nicht so", sagt K., der mit C. kurzzeitig mal zusammen in einem Schützenverein gewesen ist und mit ihm Fahrradtouren unternommen hat.

Ein Kind oder einen Jugendlichen habe Michael K. nie in der Nähe des Beschuldigten gesehen. "Auch von dem Zwölfjährigen habe ich nichts bemerkt", sagt der 49-Jährige. "So kann man sich in einem Menschen täuschen."

(RP)
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