Niederkassel Jux mit Karre und Tonne

Niederkassel · Vor 125 Jahren brüteten gestandene Niederkasseler Altbauern eine Schnapsidee aus. Sie forderte die Dorfjugend zu einem Wettlauf mit Fässern und Schörskarren heraus. Daraus entwickelte sich das Tonnenrennen mit Karnevalsumzug. Jahr für Jahr zieht das Spektakel jecke Massen an.

"Komm' schieb die Tonne, die Tonne..." – so sehr Achim und Olli das Tonnenlied auch schmetterten, das Rennen mit Schörskar und Tonne ließ auf sich warten. Derweil genossen die Zaungäste die Sonne und sicherten sich schon mal ein Plätzchen an der Rennstrecke. Das war auch gut so, denn diesmal war Niederkassel mit feiernden Jecken geradezu überschwemmt. Als dann Zugleiter Werner Hansen von der Tribüne – ein ausgeliehener Rübenanhänger – hoffnungsvoll sagte: "Ich sehe schon die Blaulichter der Polizei-Escorte", dauerte es noch ein Weilchen, bis der aus 753 Teilnehmern bestehende Narrentross endlich eintrudelte. Und dann kam der Schnee.

Zuerst nur ein bisschen Graupel, dann nässende Schneeflocken. Im Handumdrehen war die Sonne verschwunden, der Himmel grau in grau – obwohl Hansen versprochen hatte: "Um 16 Uhr setzt der Regen ein, dann sind wir längst in den Kneipen." Pustekuchen: Schnee und Kälte setzten genau eine Stunde früher ein. Und so bibberten die Zaungäste dem Narrenzug entgegen, der sich mit viel Helau und noch mehr Trän drop über den nassen Asphalt schlängelte.

Unter dem Motto: "Wir tun einfach so, als ob die Sonne immer noch scheint", startete das Tonnenrennen mit dem Prominenten-Lauf. Oberbauer Wolle hatte sich die Hose hochgekrempelt, Prinz Thomas seine eleganten Schuhe gegen Klompe getauscht. So gaben Prinz und Bauer von der Hüfte abwärts ein gleiches Bild. Mit viel Schabernack tänzelten sie über die Straße zur Freude des närrischen Volkes. Venetia Anke, die über ihren Auftritt "in der Heimat" froh und stolz war, und Bäuerin Sylvia standen dem nicht nach und liefen Schulter an Schulter los. Allerdings nur bis zur Tribüne, wo sie den Ehrengästen mit Champagner zuprosteten, um dann flugs wieder umzukehren. "Unentschieden", lautete das Urteil des Gardepräsidenten Karl Hans Danzeglocke.

Das uselige Wetter hielt aber auch die Kinderbauern Paul und Nike sowie etliche andere Sprinter nicht ab, den alten Brauch zu pflegen. Schließlich ist er bereits seit 125 aus Niederkassel nicht mehr wegzudenken. So stand der diesjährige Narrenzug unter dem Zeichen des Jubiläums. Sechs Wagen, mehr als 20 Fußgruppen und 753 Teilnehmer machten die von Zaungästen dicht gesäumten Straßen von Nieder- bis Oberkassel zur Festmeile. An der Spitze des Zuges erstmals eine japanisch-deutsche Kapelle in preußischen Uniformen. Gefolgt von Kindern der japanischen Internationalen Schule, die in "500 Farben" den Zug schmückten. Einige trugen ein großes Transparent auf dem zu lesen war: "Dank an alle, die beim Erdbeben in Japan geholfen haben." Hoch auf dem großen Wagen ließen sich erstmals "Die jecke Puppekööp" kutschieren und meinten angesichts der Querelen vergangener Jahre "Hütt dommer dröver lache".

Und auch nach 125 Jahren lachen alle noch immer über das ulkige, aus einer Schnapsidee geborene Tonnenrennen. Ausgeheckt hatten es einst gestandene Dorfbauern, die die Jugend mit Jux und Dollerei mal so richtig auf Trab bringen wollten. Das ist ihnen dann auch gelungen, obwohl es heißt, dass einst dabei geschummelt worden sei. Jedenfalls haben sie erreicht, dass man noch heute von ihnen spricht und dieser alte Brauch durch die Tonnengarde lebendig gehalten wird.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort