Kolumne Mein Düsseldorf Mit dem Kojoten auf die Kö

Düsseldorf · Es ist so eine Sache mit Statussymbolen: In einer Stadt wie unserer ist es schwer, sich abzuheben. Manche lassen sich von einer Gans aus Kanada helfen.

 Die bauschigen Jacken mit dem Pelzkragen sind kein seltenes Phänomen - ihre Träger können oft auch in Gruppen auf den Einkaufsstraßen der Innenstadt gesichtet werden.

Die bauschigen Jacken mit dem Pelzkragen sind kein seltenes Phänomen - ihre Träger können oft auch in Gruppen auf den Einkaufsstraßen der Innenstadt gesichtet werden.

Foto: Andreas Endermann

Haben wir beim Thema Klimawandel irgendwas falsch verstanden? Bisher hieß es, steigende Temperaturen stehen bevor, bald werde der Weinanbau in Düsseldorf so normal sein wie in der Toscana. In hippen Bars zwischen Urdenbach und Unterbilk schlotzen wir dann unter schattenspendenden Olivenbäumen ein trockenes Viertele Gerresheimer Goldtropf, sehr trocken und barrique-ausgebaut.

Doch die Flingerstraße, Kö und Co. sind modisch offenbar weit vom Hitzekoller entfernt und scheinen stattdessen den baldigen Kälteeinbruch zu erwarten. Denn dort sieht man seit dem Frühherbst diese bunten, bauschigen Jacken mit dicker, von Pelz umrahmter Kapuze. Als würde gleich Väterchen Frost um die Ecke schlittern, fieser Schnee waagrecht ins Gesicht peitschen, würden arktische Temperaturen den zarten Teint erröten, gar erfrieren lassen - Kleidung dieser Machart ist, kein Zweifel, polartauglich, sie wärmt den Eskimo auf der Scholle, falls er mal vors Iglu muss.

Nun mag die Kö ja cool sein - aber Minusgrade? Eher nicht! Wieso also diese Klamotten? Ganz einfach. Wer sie trägt, will zeigen: Ich kann sie mir leisten, die Jacke fürs ewige Eis oder das Date am unkommoden Day after Tomorrow. Kids schlüpfen rein, Erwachsene auch.

Aber, sehr wichtig, das richtige Branding muss drauf stehen. Diskret am Ärmel prangt das Markenzeichen, und der Eingeweihte erkennt mit einem Blick, ob er den Porsche, den Audi oder den Dacia unter den Jacken vor sich hat. Namen wie Scotch and Soda oder Woolrich sind derzeit angesagt, ganz oben, sozusagen am Firmament der textilen Stars, schwebt Canada Goose - die Kanada Gans. Auf Deutsch klingt das natürlich piefig und erinnert, igitt, an das Federvieh, das am Unterbacher See eine Plage ist und rund ums Gewässer die Ufer mit jenem ekligen Zeug zukleistert, das den Vögeln achtern rausflitscht, wenn die Verdauung getan hat, was sie tun muss. Also muss es Englisch sein. Die Dinger sind - Achtung, Kalauer - mit knapp 1000 Euro schweineteuer, jedoch tatsächlich von erstklassiger Qualität, voll zarter Daunen und halten wirklich muckelig warm bis minus 30 Grad.

Oder waren es minus 40? Egal - an der Kö spielt das eh keine Rolle, darauf kommt es nicht an. Eis isst man dort, verziert mit Amarena-Kirschen oder possierlichem Schirmchen aus dem Becher, oder genießt es - Schampus on the Rocks - leise klirrend in der fein-beschlagenen Riedel-Flöte. Außerdem ist auch die Cayenne- und Range-Rover-Dichte auf der Prachtmeile so hoch wie sonst nur auf dem Auslieferungsparkplatz der Niederlassungen. Diese vierrädrigen Geländegänger mit permanentem Allradantrieb werden nie Dreck schlucken, sondern höchstens mal von der Bordsteinkante touchiert. Also nix über Stock und Stein, sondern von Mörsenbroich zu Manufactum, wo - "Es gibt sie noch, die guten Sachen" - parkett- und geländetaugliche Schuhe aus Pferdeleder (Preis: 800 Euro) im schicken Stoffbeutelchen auf jene warten, die monetär gut zu Fuß sind.

Dito die Jacken - brauchen tut sie in unseren Breiten nicht mal das chronisch schlotternde Modell mit XS-Figur und klobigen Uggs zum Minirock. Aber wer so aussehen will, als gehöre er zu den regelmäßig nach Aspen jettenden Happy Few, muss sie besitzen. Andere Statussymbole haben ihr Verfallsdatum lange hinter sich - bei iPhone 6 (hat fast jeder!), Geländewagen (siehe oben), Barbour Jacke (gibt es sogar bei P & C) und Rolex-Uhr (nur vom Fachmann vom 20-Euro-Fake aus dem Basar in Antalya zu unterscheiden) lüftet nicht mal der mit tiefergelegtem 3er-BMW durch die City röhrende Testosterono die gegelte Braue unterm Short-Cut. Also ist man nun in diesen SUVs zum Anziehen unterwegs, schwitzt wie ein Eskimo in der Sauna und hofft auf die ausgleichenden Fähigkeiten des Deo-Sprays.

Dass die Tierschützer inzwischen wegen der Jacken auf der Zinne sind, lässt in dieser Community die meisten kalt: Für den echten Fellbesatz der Canada-Goose-Stücke muss in Kanada nämlich der Kojote Leben und Pelz lassen.

An dieser Stelle wirft unser Autor künftig regelmäßig einen ganz persönlichen Blick auf Anekdoten und Geschichten seiner Stadt.

(RP)
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