Uwe Wittstock, bekannter Kulturjournalist und Literaturkritiker, ist es gelungen, dieses bewegte Leben kenntnisreich, anschaulich und spannend nachzuerzählen. Voller Dramatik und mit farbigem Zeitkolorit erzählt Wittstock von Reich-Ranickis Kindheit und Jugendjahren in Berlin und in Polen, von den Schrecknissen des Warschauer Ghettos, von dem Glück und der Last des Überlebens des Holocausts und von der Liebe Reich-Ranickis zur deutschen Literatur. In der übergroßen Verletzbarkeit des späteren Großkritikers sieht Wittstock immer noch eine Nachwirkung der traumatischen Jugendjahre im besetzten Polen. Fast ebenso faszinierend liest sich der Aufstieg des Kritikers in der jungen Bundesrepublik vom Literatur-Redakteur der "FAZ" und Starkritiker der "Gruppe 47" zu einer literarischen Institution, zu der er spätestens mit seinem "Literarischen Quartett" (1988-2001) wurde. Nicht ganz so eindrucksvoll liest sich die Darstellung der letzten Lebensjahre Reich-Ranickis. Die Machtposition Reich-Ranickis im literarischen Leben der Bundesrepublik war immer auch heftig umstritten. Umso höher ist zu bewerten, dass Wittstocks Biographie den Star-Kritiker nicht verklärt, sondern ein sehr differenziertes und ausgewogenes Bild Reich-Ranickis zeichnet. Sehr lesenswert!