Dinslaken Alfred Grimm öffnet seine Schatzkiste

Dinslaken · Eine Retrospektive mit 70 Arbeiten des Künstlers zeigt die Sparkasse Dinslaken in ihrer Hauptstelle an der Friedrich-Ebert-Straße. Die Ausstellung spart auch das Frühwerk nicht aus. Es gibt vieles zu entdecken.

 "70 Jahre – 70 Arbeiten" zeigt Kunst aus verschiedenen Lebensabschnitten von Alfred Grimm. Dieses Selbstporträt entstand in den 1960er Jahren.

"70 Jahre – 70 Arbeiten" zeigt Kunst aus verschiedenen Lebensabschnitten von Alfred Grimm. Dieses Selbstporträt entstand in den 1960er Jahren.

Alfred Grimm war schon immer eher Sammler als Jäger. Die bis unters Dach seines Bruckhausener Ateliers gestapelten Kästen und Kisten, vollgestopft mit allerlei skurrilen Materialien, die darauf warten, zu Kunst zu werden, geben Zeugnis von seiner Leidenschaft, Dinge aufzubewahren. Mit den frühen Arbeiten des Künstlers verhält es sich ähnlich. In prall gefüllten Mappen und Kisten hat Grimm über Jahrzehnte Kunst gehortet, immer in dem guten Gefühl, etwas zu besitzen, von dem er selbst nicht genau wusste, was es genau war.

Jetzt hat Alfred Grimm, der im Juni 70 Jahre alt geworden ist, die Schatzkisten seiner Schul- und Studienzeit geöffnet und dabei eine ganze Reihe von Gouachen, Linoldrucken, Holzschnitten, Kaltnadelradierungen und Bleistiftzeichnungen ans Tageslicht befördert. Zu sehen ist die Kunst der frühen Jahre in der Ausstellung "70 Jahre – 70 Arbeiten", die die Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe bis zum 27. September in ihrer Hauptstelle zeigt. "Zum ersten Mal wird ein retrospektiver Blick gewagt", sagte der Kunsthistoriker Joachim Schneider aus Münster, ein ehemaliger Schüler Grimms, bei der Vernissage. Und genau das ist das Außergewöhnliche und Spannende an dieser One-Man-Show. Sie schließt eine Lücke. Den "alten" Grimm kennen Kunstinteressierte aus unzähligen Ausstellungen – 117 gemeinschaftliche und 68 einzelne sind es mittlerweile – das Werk des jungen Grimm ist den Blicken der Öffentlichkeit bislang verborgen geblieben.

Die frühesten Arbeiten stammen aus der Schülerzeit am mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium in Dinslaken, als im Unterricht beim Kunsterzieher Helmut Drees die Grundlagen für Grimms künstlerisches Schaffen gelegt wurden. Einige wenige erinnern an Grimms Studienzeit an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, unter anderem bei den Professoren Bobek und Beuys. Die Kaltnadelradierung "Paar" ist von 1962, im selben Jahr entstanden mit großer Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführte Bleistiftzeichnungen von Blättern, Zebras, Elefanten, Hühnern, toten Spatzen, die allesamt bereits das zeichnerische Talent und die Experimentierfreude Grimms erkennen lassen. "Nachdem der tote Spatz gezeichnet war, war die Faszination der toten Maus immens", erklärte Joachim Schneider die schon früh vorhandene Vorliebe des Künstlers, Kleintiere zu Papier zu bringen.

Diese mitunter brav, teilweise aber auch erstaunlich ungestüm aufs Papier geworfenen Arbeiten ("Chinas Säue") werden in alten Rahmen und somit bewusst dokumentarisch präsentiert. Sie dürften Kenner Grimms nicht weniger überraschen als den Künstler selbst. Geben sie doch Hinweise darauf, wie er wurde, was er heute ist. Grimm habe man nie erklären müssen, sagte Joachim Schneider. "Die Arbeiten erklären sich aus sich selbst heraus, weil der Künstler von jeher sämtliche Konzeptkunst-Varianten zugunsten des sinnlichen Erlebnisses erfolgreich ignoriert hat."

Die Ausstellung zeigt überwiegend Kleinformatiges. Der Versuch, aus der Fülle der Arbeiten das auszuwählen, was "den ganzen Grimm" ausmacht und damit Schlaglichter auf alle Schaffensperioden zu werfen, ist geglückt. Es ist alles da: die Landschaften, die Selbstporträts, die an Bäumen verschrotteten Unfallautos, die Mädchen, Verspieltes, Serielles und – selbstverständlich – auch Provozierendes wie der 1981 mit kalter Nadel zu Kunst gestochene "Dinslakener Kulturmist", eine Erinnerung an die wilden Jahre, als Grimm als Kritik auf den Kulturbetrieb die Dinslaken-Fahne mit Dung beschmutzte. Was nicht fehlt, wenngleich es deutlich zu kurz kommt, sind die Objekte. Einige wenige Arbeiten, darunter Tortenstücke und Schachfiguren, kann der Besucher in einer kleinen Vitrine entdecken. Für die mittleren und großen Formate wäre hier ohnehin kein Platz.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort