NS-Prozess Hagen Verteidigung fordert Freispruch für Siert Bruins

Hagen · Fast 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg muss sich ein früherer SS-Mann wegen Mordes an einem niederländischen Widerstandskämpfer vor Gericht verantworten. Die Verteidigung hält das Verfahren für ungerecht und fordert nicht nur Freispruch.

 Der Angeklagte Siert Bruins (r) sitzt im Dezember im Landgericht in Hagen auf der Anklagebank neben seinem Anwalt Klaus-Peter Kniffke.

Der Angeklagte Siert Bruins (r) sitzt im Dezember im Landgericht in Hagen auf der Anklagebank neben seinem Anwalt Klaus-Peter Kniffke.

Foto: dpa, Jan-Philipp Strobel

Im Hagener Prozess gegen einen früheren SS-Mann wegen der Ermordung eines niederländischen Widerstandskämpfers hat die Verteidigung Freispruch gefordert. Der heute 92-jährige Siert Bruins soll im September 1944 in der Hafenstadt Delfzijl an der Tat beteiligt gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft hat eine lebenslange Haftstrafe beantragt. Der Verteidiger betonte jedoch am Montag, Bruins habe von der Absicht seiner Vorgesetzten, den Gefangenen auf einer vorgetäuschten Flucht zu erschießen, nichts gewusst. Er habe auch nicht geschossen.

Bruins war damals Mitglied des Grenz- und Sicherheitspostens in der Hafenstadt an der Emsmündung. Er war während des Krieges der Waffen-SS beigetreten und hatte die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt. Getötet wurde der Widerstandskämpfer, als die Alliierten in den Niederlanden bereits auf dem Vormarsch waren und Hitler den sogenannten Niedermachungsbefehl gegeben hatte.

Laut Anklage nahmen Bruins und sein Vorgesetzter den Gefangenen im Auto mit und forderten ihn auf halbem Weg zu dessen Wohnort Appingedam auf: "Geh mal pissen." Wenige Meter vom Auto entfernt trafen ihn Schüsse von hinten.

Der Verteidiger hält Mordmerkmale in Bruins' Vorgehen nicht für nachweisbar und das Verfahren nicht für fair. Die früheren Aussagen des inzwischen gestorbenen Vorgesetzten seien widersprüchlich gewesen, eine Aufklärung sei nicht mehr zweifelsfrei möglich.

Bruins war 1949 in seiner Heimat zum Tode verurteilt worden.

Bruins war schon 1949 in seiner Heimat von einem Sondergericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. In Deutschland wurde er 1980 in einem anderen Fall, wegen Beihilfe zum Mord an zwei niederländischen Juden, zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das Verfahren wegen der Tötung des Widerstandskämpfers hatte die Staatsanwaltschaft zuvor eingestellt.

Jenes Verfahren hätte aber mit noch lebenden Zeugen zum Abschluss gebracht werden müssen, sagte der Verteidiger. Er forderte deshalb auch die Einstellung des jetzigen Prozesses. Das Verfahren müsse zudem unterbrochen werden, um angesichts des niederländischen Urteils von 1949 eine drohende Doppelverurteilung vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Das Urteil soll an diesem Mittwoch gesprochen werden.

(dpa)
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