"Er ist unser Held" Zehntausende Türken feiern Erdogan in Köln

Köln · Sie schwenken türkische Flaggen und tragen Shirts in den rot-weißen Nationalfarben. Die Anhänger des türkischen Staatspräsidenten sind emotional und national. Ihre Gegner sieht man kaum auf den Straßen.

Die Demonstranten feierten Staatspräsident Erdogan.

Die Demonstranten feierten Staatspräsident Erdogan.

Foto: ap, mm

Was sich auf dem Gelände der Deutzer Werft abspielt, ist eine Machtdemonstration. Der Lärm, der von den bis zu 40.000 Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgeht, die sich am Sonntagnachmittag dort versammelt haben, ist ohrenbetäubend. Sie singen inbrünstig die türkische Nationalhymne und brüllen immer wieder den Namen ihres Staatspräsidenten: "Erdogan, Erdogan, Erdogan. Er ist unser Held."

Lage bleibt über den Tag ruhig

Die Lautsprecher sind voll aufgedreht. Hunderte türkische Flaggen werden geschwenkt, das Rheinufer verwandelt sich in ein rotes Fahnenmeer. Manche halten Plakate hoch auf denen Sätze stehen wie "Erdogan ist ein Held der Demokratie" und "Erdogan ist der Streiter für Menschenrechte". Es ist Verehrung, Verklärung und Nationalismus. Das Geschrei kommt aus tiefstem Herzen und kennt kaum Zurückhaltung; einige skandieren: "Allahu akbar", eine häufig skandierte Formel, die aber auch als Schlachtruf der Islamisten verwendet wird.

Die Demonstration gegen den Putsch in der Türkei verläuft trotz aller Leidenschaft der vielen deutsch-türkischen Demonstranten friedlich - nur verbal wird über die Stränge geschlagen. Die Lage sei relativ ruhig, sagt Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies zu Beginn der Veranstaltung gegen 15 Uhr. Und diesen Satz wird er auch am Ende des Tages noch einmal wiederholen.

Dass es so ist, liegt am Einsatzkonzept der Polizei: Massive Präsenz und hartes Durchgreifen gegen Unruhestifter. Letzteres ist aber kaum nötig. Teile der Stadt befinden sich im Ausnahmezustand. Die Polizei ist allgegenwärtig: In der Luft, auf dem Rhein, auf der Straße, auf Pferden, uniformiert, in Zivil - und meist schwer bewaffnet. Fast 3000 Beamte, die aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen worden sind, riegeln zentrale Ein- und Ausfallstraßen ab.

Auf den Pylonen der Deutzer Rheinbrücke stehen Scharfschützen. Sie haben Befehl zu schießen, sollte auf der Demonstration ein Attentäter versuchen, durch die Absperrungen zu brechen und Richtung Rednerbühne zu stürmen. In den Seitenstraßen stehen Wasserwerfer, die aussehen wie Panzer. Ein Hubschrauber kreist ständig über der Stadt.

Gegenüber auf der anderen Rheinseite haben sich Linksextreme, Rechtsradikale und Hooligans versammelt. Am Hauptbahnhof kommt es lediglich zu einigen Rangeleien zwischen Polizisten und Hooligans.

Die Beamten schaffen es, dass die Lager nicht aufeinandertreffen. Ein von den Rechtsradikalen, darunter Mitglieder der Splitterpartei Pro NRW, geplanter Demonstrationszug durch die Stadt wird nach einem Gespräch mit der Polizei abgesagt und auf eine Standkundgebung beschränkt. Diese wird abgebrochen, weil die meisten Personen stark alkoholisiert sind. Friedlich demonstrieren hingegen rund 600 Personen des Bündnisses "Köln gegen Rechts". Oberbürgermeisterin Henriette Reker zeigt sich später "erleichtert" über den friedlichen Verlauf.

Nur wenige Türken, die nicht Erdogans Meinung sind, sind auf Kölns Straßen unterwegs. Einer ist Kemal Tekin, 42. Der Deutschtürke ist mit zwei Freunden, Ergun und Richard, aus Berlin nach Köln gekommen, um eigentlich gegen Erdogans Politik zu demonstrieren. Aber er ist ein wenig enttäuscht. "Ich habe angenommen, dass mehr von uns kommen", sagt er. Aber er könne irgendwie auch verstehen, wieso viele zu Hause geblieben sind. Sie hätten schlichtweg Angst, meint er. "Wer sich von uns Türken offen gegen Erdogan richtet, muss auch in Deutschland fürchten, körperlich angegangen zu werden", sagt Tekin.

Dabei wolle er doch nur eine liberale, weltoffene Türkei, in der man keine Angst haben müsse, verhaftet zu werden, nur weil Kritik am Staatsoberhaupt übe. Die beiden Plakate mit den Aufschriften "Tayyip Erdogan - Der Wolf im Schafspelz" und "Mörder Erdogan", die Tekin angefertigt hat, bleiben gestern sicherheitshalber im Auto.

Eigentlich sollte Erdogan auf die große Videoleinwand zugeschaltet werden und zu seinen Anhängern sprechen. Doch nachdem das Bundesverfassungsgericht das unterbunden hat, wird stattdessen eine Mitteilung von ihm verlesen: "Das war ein feiger Putschversuch auf unser Land. Für die Türkei ist der 15. Juli der dunkelste Tag der Geschichte. Ich bin stolz auf unser Volk. Keiner wird einen Keil zwischen das Volk und unsere Regierung treiben können." Wieder singen sie lautstark seinen Namen. Erdogan spreche mit der Stimme der Unterdrückten, sagen seine Anhänger - und so fühlen sie sich auch.

(RP)
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