Feuerwalze zerstört Chemielager

Die durch den Brand am Krefelder Hafen entstandene Rauchwolke hat Anwohner in den Nachbarstädten in Angst versetzt. In Duisburg holten besorgte Eltern ihre Kinder vorzeitig aus der Schule ab. Die Lagerhalle für Düngemittel brannte bis auf die Grundmauern nieder.

Krefeld/Duisburg Helga Birger* fährt gerade mit ihrem Auto zum Einkaufen, als sie im Radio erfährt, dass eine große Rauchwolke in Richtung der Schule ihrer Tochter in Duisburg-Buchholz zieht. Sofort dreht sie um. Die junge Mutter fährt zur Grundschule zurück, um ihr Kind aus dem Unterricht zu holen. "Ich möchte nicht die Gesundheit meiner Tochter gefährden. Deswegen bringe ich sie aus der Gefahrenzone nach Kleve", sagt sie, schnallt ihre Tochter auf dem Rücksitz fest und fährt vom Parkplatz. Die meisten anderen Eltern an den Schulen im Duisburger Süden reagieren ähnlich besorgt, als sie hören, dass nach dem Großbrand am Krefelder Hafen aus Sicherheitsgründen alle Kinder bis 14 Uhr in den Schulen und Kindergärten bleiben sollen – die Rauchwolke könnte giftig sein.

Der Brand war nach Angaben der Feuerwehr um 7.10 Uhr aus noch nicht bekannten Gründen in einem Chemielager für Düngemittel am Krefelder Hafen ausgebrochen. Die etwa 50 mal 120 Meter große Halle wurde komplett zerstört. Fünf Menschen erlitten leichte Rauchgasvergiftungen und mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Durch den Brand bildete sich eine riesige, kilometerweit sichtbare Rauchwolke, die sich stundenlang über Teile des Ruhrgebiets und des Niederrheins legte. In Krefeld, Meerbusch, Duisburg und Moers wurden die Menschen aufgerufen, Fenster und Türen zu schließen. Lehrer sollten Kinder nicht ins Freie lassen.

Von diesen Warnungen erfuhren viele Anwohner in den südlichen Duisburger Stadtteilen erst sehr spät. Sie wussten lange nicht, was überhaupt los ist, dabei wohnen sie nicht weit vom Brandort entfernt und konnten mit ansehen, wie die pechschwarze Rauchsäule von Krefeld aus zu ihnen herüber zog. Von den Sirenen sei eine Stunde nach Ausbruch des Feuers noch nichts zu hören gewesen, berichtete ein Anwohner. Auch die ersten Warnungen im Radio, die in den städtischen Notfallplänen in solchen Fällen vorgesehen sind, seien erst weit nach 8 Uhr gelaufen, klagte eine ältere Frau. "Wäre die Wolke giftig gewesen, hätten wir zu diesem Zeitpunkt schon längst tot über den Zäunen gehangen", sagte sie.

Auch wenn die rund 300 Feuerwehrleute den Brand nach etwa dreieinhalb Stunden unter Kontrolle bringen konnten, herrschte lange Zeit Ungewissheit über die möglichen giftigen Inhaltsstoffe der Rauchwolke. Erst am späten Vormittag teilte das Landesumweltamt (Lanuv) mit, dass keine Gesundheitsgefahr bestanden habe. Dennoch sollten die Anwohner Türen und Fenster bis in die Abendstunden geschlossen halten – was dazu führte, dass viele weiter in Angst verharrten. Besonders im Duisburger Stadtteil Mündelheim hielt auch nach der Entwarnung bei vielen Anwohnern die Sorge vor gesundheitlichen Schäden weiter an. Bei ihnen legte sich dunkler, klebriger Nebel über die Straßen, nachdem der Rauch durch Regen nach unten auf den Boden gesunken war.

Die gelbe Wolke hüllte zudem ganze Viertel im nördlichen Krefeld ein. Durch den Qualm kam es auch zu massiven Behinderungen im Straßenverkehr. Streckenweise nahm der Qualm den Autofahrern die Sicht. Die Beeinträchtigungen waren auf der Bundesstraße 288 so gravierend, dass die Polizei die Hauptverkehrsstraße zeitweise sperrte. Auch Schiffe auf dem Rhein zwischen Düsseldorf und Duisburg-Rheinhausen wurden gestoppt, eine wichtige Rheinbrücke zwischen Krefeld und Duisburg gesperrt. Am Düsseldorfer Flughafen wurden startende Maschinen auf eine Ausweichroute umgeleitet.

An den Duisburger Schulen war gestern an geregelten Unterricht nicht mehr zu denken. Viele Eltern hatten ihre Kinder erst gar nicht zur Schule gebracht, so dass manche Klassen nur zur Hälfte gefüllt waren. Besorgte Mütter und Väter, die ihre Kinder abholen wollten, wurden ebenfalls gebeten, bis zur Entwarnung in der Schule zu warten. In einer Grundschule mussten Eltern sogar ein Formular unterschreiben, wenn sie ihre Kinder vor 14 Uhr nach Hause holen wollten.

*Name von der Redaktion geändert

(RP)
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