Seebäder an der Ostsee Das Erbe der DDR

Kühlungsborn und Boltenhagen: zwei Seebäder für Geschichtsinteressierte und Aktivurlauber.

 Boltenhagen war der westlichste Badeort der DDR - mehr als 150 Meter hinausschwimmen war tabu.

Boltenhagen war der westlichste Badeort der DDR - mehr als 150 Meter hinausschwimmen war tabu.

Foto: Rainer heubeck

Nach einem kurzen Blick in den blauen Himmel sind für Hanka Bolz die Witterungsverhältnisse klar. "Heute ist Super-Republikfluchtwetter", sagt die Stadtführerin, die ihre Gäste auf einen Spaziergang durch ihre Wahlheimat mitnimmt: das Ostseebad Kühlungsborn.

Einer der Türme, von denen aus die Grenze überwacht wurde, ist am Strand noch erhalten. "Früher sah man nie, ob diese Türme besetzt waren oder nicht, aber wenn sie besetzt waren, dann hatten die Beamten beste Carl-Zeiss-Ferngläser und sahen jeden Leberfleck am Strand", beteuert Bolz, die berichtet, dass etwa 6000 DDR-Bürger einst versuchten, hier und andernorts über die Ostsee das Land zu verlassen. Eine kleine Ausstellung, die Plakate und Zeitungsausschnitte aus der Zeit zwischen Mauerbau und Wende zeigt, findet sich ganz in der Nähe des begehbaren Grenzturms vom Typ BT 11. Dort erfährt man, dass Menschen mit Schlauchbooten, Faltbooten, Luftmatratzen oder schwimmend versucht hatten, über die Ostsee in den Westen zu kommen - die meisten von ihnen scheiterten.

Die Tradition des Badeurlaubs in Kühlungsborn begann jedoch bereits lange vor dem Mauerbau. Schon in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts empfing man den ersten Badegast. Um 1880 wurden Strandwege und öffentlichen Bäder gebaut, nach der Jahrhundertwende entstanden vom Jugendstil geprägte elegante Gästehäuser. Etliche davon sind noch heute erhalten. In der NS-Zeit war Kühlungsborn ein KdF-Bad, in den folgenden Jahrzehnten dominierten Ferienheime des DDR-Gewerkschaftsbundes. Mehr als 40 davon hat es im Ort gegeben.

"Noch in den 80er Jahren hieß die Parole bei den Bauern, ,Schweine raus, Sachsen rein', damals wurde jedes Fleckchen genutzt, um Gäste unterzubringen", berichtet Hanka Bolz, die von Kühlungsborn mit seinen kilometerlangen Stränden noch immer begeistert ist. "Es ist wirklich fantastisch hier", erklärt sie im Brustton der Überzeugung. In den Zeit von Juli bis September führt sie jeden Montag geschichtsinteressierte Gäste durch das Ostseebad - und als Kräuterhexe Küboschka entführt sie jeden Mittwoch in die Welt der Sagen und Legenden, bevor die Hexenführung mit einem Besentanz abgeschlossen wird.

Kühlungsborn hat sich seit der Wende herausgeputzt, das sieht man bei einer Führung im Hafenhaus. Im Jahr 2005 wurde ein moderner Bootshafen fertiggestellt, er bietet Liegeplätze für 400 Schiffe. Zum Service für Skipper zählen nicht nur W-Lan und die Versorgung mit nahezu CO2-neutralem Treibstoff, sondern auch ein kostenloses Briefing zum Seewetter, an dem morgens gegen 8.45 Uhr meist zwischen fünf und zwanzig Skipper teilnehmen. Dr. Ronald Eixmann, einer der versiertesten Meteorologen des Bundeslandes, präsentiert hier seinen aktuellen Wind- und Wetterbericht.

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Foto: dpa, ah

Auf schönes Wetter hoffen auch die Urlauber im weiter westlich gelegenen Boltenhagen, dem zweitältesten Seebad an der Ostsee. Boltenhagen ist ein Familienbadeort, wer hier Urlaub macht, bleibt in der Regel eine Woche und reist mit zwei Kindern an. Im Hauptort ragt eine Seebrücke fast 300 Meter in die Ostsee, ganz in der Nähe erinnert ein hölzerner Badekarren an die Gründung des Seebads im Jahr 1803.

Boltenhagen war der westlichste Badeort der DDR - mehr als 150 Meter hinausschwimmen war tabu, Luftmatratzen waren nicht erlaubt. Ganz in der Nähe, auf der Halbinsel Tarnewitz, hatte die Grenzbrigade Küste ihren Sitz. Auch dort ist inzwischen der Tourismus eingezogen. Im Ortsteil Weiße Wiek haben Urlauber die Soldaten abgelöst: Neben den schwimmenden Ferienhäusern, die hier angemietet werden können, ist das Dorfhotel seit nunmehr neun Jahren eine beliebte Adresse für Familien mit Kindern.

In Boltenhagen lebt Sven Oppor, der Gäste in eine ganz besondere Sportart einführt - Nordic Cross Skating, ein Ganzkörpertraining im Gelände, das Skilanglauf und Inline-Skating verbindet und durchaus etwas Übung bedarf. Sven bietet für Urlaubsgäste in Boltenhagen regelmäßig Einsteigerkurse. "Dort wo Inlineskaten aufhört, fängt Nordic Cross Skating erst so richtig an", versichert Sven Oppor und gibt einen wichtigen Tipp: "Vorsicht vor Gullydeckeln, das sind die Stolperfallen Nummer eins." Außerdem entscheidend für die Fahrt: Die Stöcke zwischen Ferse und Hinterrad ansetzen und beim Bremsen die Hände stets nach vorne schieben, damit man nicht auf dem Hintern landet. Für Anfänger ist das Cross Skating eine wacklige Angelegenheit, die nach kurzer Zeit jedoch viel Spaß macht.

Die Redaktion wurde vom Verband Mecklenburgischer Ostseebäder zu der Reise eingeladen.

(RP)
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