Der Ökonom Hochfrequenzhandel – entfesselter Kapitalismus?

Der superschnelle Computerhandel an der Börse gilt als Massenvernichtungswaffe für volkswirtschaftliches Vermögen. Dabei imitiert er nur die menschlichen Händler.

Die Pleite des Top-Bankhauses Lehman stellt eine Zäsur in der globalen Wirtschaftsgeschichte dar. Seit dieser Zeit argwöhnen viele auch konservative Intellektuelle, dass sich der Kapitalismus – wie einst Karl Marx voraussagte – sein eigenes Grab schaufeln wird. Als Symbol für den entfesselten Kapitalismus gilt der Hochfrequenzhandel an der Börse. Dank moderner Techniken ist es möglich, dass Finanztransaktionen in Nanosekunden getätigt werden können. Das heißt, in einer Milliardstel Sekunde gehen bisweilen Milliardengeschäfte über die "Computertheke". Kann das gutgehen?

Es kann. Denn auch der schnellste Computer macht im Grunde nur das, was ein menschlicher Händler tun würde. Er kauft billig ein und verkauft zu einem höheren Preis. Volkswirtschaftlich gesehen kommt so der Börsenpreis dem realwirtschaftlichen Preis möglichst nahe. Denn über solche Arbitragegeschäfte, wie es fachlich heißt, kann nur derjenige einen Gewinn machen, der nahe am echten Preis verkauft. Da die schlechten Händler, die den Preis verfehlen, im Marktprozess ausscheiden, führt die Spekulation zum volkswirtschaftlich richtigen Preis, egal ob Menschen oder Computer den Handel ausführen.

Warum kann der Computerhandel trotzdem einen Crash auslösen? Er kann es wie die menschlichen Händler auch, wenn die Algorithmen der Computer gleichgerichtet sind. Deshalb ist die einzig vernünftige Regel für den Hochfrequenzhandel, den Handel dann auszusetzen, wenn ein Kurssturz über einen bestimmten Prozentsatz hinaus droht. Die Spezialisten hätten Zeit, die Algorithmen der Computer zu überprüfen.

Für die Volkswirtschaft als Ganzes ist es weder schädlich noch nützlich, wenn – wie beim Hochfrequenzhandel geschehen – ein Index in kurzer Zeit selbst um 1000 Punkte nach unten und wieder nach oben geht. Für den einzelnen Marktteilnehmer kann es indessen fatal sein. Deshalb sollten sich nur die am Hochfrequenzhandel beteiligen, die etwas davon verstehen und das nötige Spielgeld besitzen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort