Impfdesaster in der EU Zu spät, zu wenig, zu inkompetent - warum Brüssel und Berlin bei der Impfstrategie versagten

Meinung · Experten wie der Gesundheits-Mäzen Bill Gates hatten schon im April des vergangenen Jahres dazu aufgerufen, Produktionskapazitäten für den Impfstoff in großem Stil aufzubauen. Bei der EU-Kommission kamen die Mahnungen offenbar nicht an.

 Eine Klinik-Mitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze (Archivfoto).

Eine Klinik-Mitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze (Archivfoto).

Foto: dpa/Sven Hoppe

Die Impfstoffbeschaffung durch die Europäische Kommission ist ein ziemliches Fiasko. Das müssen wohl selbst die glühendsten Europäer zugeben. Auch die deutsche Politik hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, immerhin hatte Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne. Zu wenig, zu spät, zu inkompetent, so kann man das Drama zusammenfassen.

Wie die britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“ jüngst berichtete, haben die USA und Großbritannien pro Kopf sieben Mal so viel wie die EU für die Entwicklung von Impfstoffen und den Ausbau von Produktionsstätten investiert. Ökonomen um den Nobelpreisträger Michael Kremer hatten schon im Mai berechnet, dass die EU rund 50 Milliarden Euro in den Aufbau unterschiedlicher Fertigungskapazitäten zur Impfstoffherstellung investieren sollte. Bill Gates, der sich mit dem Impfen auskennt, hatte schon im April, auch in deutschen Zeitungen, deutlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, Produktionskapazitäten aufzubauen.

Gegen das Impfen im Schneckentempo bei gleichzeitig immer neuen Kostenpflichtiger Inhalt Virus-Mutationen helfen vorerst nur noch weitergehende noch länger anhaltende Einschränkungen. Sakrosankt ist dabei allein der Datenschutz, der über allen anderen Freiheitsrechten zu stehen scheint. Die Folge ist nicht nur eine Corona-App, die unbrauchbar ist, weil niemand weiß, wann und wo genau jemand eine Risikobegegnung hatte. Auch bei den Tests, von denen es noch immer viel zu wenige gibt, werden viele relevante Daten nicht erhoben. Sind Pendler stärker betroffen als andere? Welche Berufsgruppen weisen welche Infektionszahlen auf? Wir wissen es nicht. Die Folge sind weitere, sehr grobe Interventionen, bei denen möglichst viel untersagt wird in der Hoffnung, dass die „richtigen“ Dinge schon dabei sein werden, trotz immenser Kollateralschäden. Die Perspektivlosigkeit zermürbt viele. Aber besser spät als nie: Wir müssen jetzt mit viel Geld viel mehr Produktionskapazitäten zur Impfstoffherstellung aufbauen. Alles andere ist Flickwerk.

Unser Autor ist Professor für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf. Er wechselt sich mit der Ökonomin Ulrike Neyer und dem Vermögensexperten Karsten Tripp ab.

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