Kolumne: Gegenpressing Inter Mailand wird Podolskis letzte Chance

Düsseldorf · Mit Neunundzwanzigeinhalb gehört er auf der Spielwiese der oft nicht mal Zwanzigjährigen zu den älteren Herren. Allmählich muss er sich und der Welt beweisen, dass er auch jenseits von Köln-Müngersdorf bemerkenswerte fußballerische Leistungen bringen kann.

Lukas Podolski – kölsche Jung, Stimmungskanone, Weltmeister
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Das ist Lukas Podolski

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Foto: ap

Als der Fußballgott mal ziemlich müde war, da erschuf er die Winterpause. Das war ihm auf die Dauer dann aber doch zu langweilig, und da erschuf er noch schnell die Wintertransferperiode. Die sorgt seither in der spielfreien Zeit für Unterhaltung. In diesem Jahr ist der ewige Kölner Lukas Podolski die Hauptperson. Die täglichen Wasserstandsmeldungen über seinen bevorstehenden Wechsel von Arsenal London zu Inter Mailand verkürzen dem Fußballgott und dem Fußballfreund die Zeit zwischen stundenlangen Reportagen vom Skispringen und den Jahresrückblicken und Wiederholungen garantiert unvergleichlicher Szenen aus dem brasilianischen Sommer.

Noch wichtiger als für die Menschheit ist der Fortgang der Verhandlungen für Podolski selbst. Bei Arsenal London sitzt der Stürmer mit der rustikal guten Laune in der Regel nur am Spielfeldrand, sinngemäß sitzt er zwischen den Stühlen. Allmählich muss er sich und der Welt beweisen, dass er auch jenseits von Köln-Müngersdorf bemerkenswerte fußballerische Leistungen bringen kann. In München ist es ihm nicht gelungen, in London nach beeindruckend netter Anfangsphase ebenfalls nicht. Das ins graue Niemandsland der sportlichen Bedeutungslosigkeit abgesackte Inter könnte so etwas wie die letzte Bewährungschance für eine der einst allergrößten deutschen Fußball-Hoffnungen werden.

Schließlich ist Podolski auch nicht mehr der Jüngste. Mit Neunundzwanzigeinhalb gehört er auf der Spielwiese der oft nicht mal Zwanzigjährigen zu den älteren Herren. Das allein muss nicht schlimm sein, wie das schöne Beispiel von Andrea Pirlo beweist, der mit 35 Jahren vermeintlichen biologischen Fakten tapfer trotzt. Der Italiener hat es sogar geschafft, sein aus der Zeit gefallenes Spiel in die Moderne zu retten.

Podolski hat das (noch) nicht geschafft. Gelegentlich darf er mal zeigen, dass Schussgewalt Spiele beeinflussen kann. Und besonders hoch steht er in der Gunst des Bundestrainers, der ihn häufig mal mitmachen lässt. Deshalb ist Poldi auch Weltmeister geworden. Seine Beiträge zum Titelgewinn liegen allerdings mehr im menschlichen als im fußballerischen Bereich.

Podolskis Spielweise passt nicht zur Neuzeit

Nicht zuletzt Löw ist darum die Einsicht zu verdanken, dass Podolski nun mehr als unverwüstlich gute Laune liefern muss, wenn er weiter den Adler auf der Brust tragen will. Aber selbst wenn der Stürmer in der italienischen Liga Fuß fassen sollte, ist seine Zukunft im Nationalteam alles andere als gesichert. Podolskis Spielweise passt nämlich so gar nicht zum ganzheitlichen Modell der fußballerischen Neuzeit. Er wirkte schon bei seinen kurzen WM-Einsätzen wie ein Fremdkörper. Und auch ein längerer Auftritt gegen Gibraltar, den Fußballzwerg schlechthin, taugte nicht für die Geschichtsbücher.

2015 wird also vorerst ein vergleichsweise ernstes Jahr für die Kölner Frohnatur. Um Leben und Tod geht es trotzdem nicht. Wenn Podolski in Mailand beim Sprungversuch ins Charakterfach scheitern sollte, bleibt ihm immer noch ein sorgenfreies Rentnerdasein als Fußball-Säulenheiliger in der Domstadt. Diese Aussicht hat auch nicht jeder.

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(RP)
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