Fall Kurnaz Vorwürfe gegen Bundeswehr womöglich bestärkt

Berlin (RPO). Die Ermittlungen im Fall Kurnaz gewinnen womöglich an Fahrt. Die Aussagen zweier Briten bestärken angeblich die Missbrauchs-Vorwürfe des ehemaligen Guantanamo-Häftlings gegen deutsche Soldaten.

Die sieben wichtigsten Fragen um Murat Kurnaz
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Foto: AP

Paul Schäfer, Obmann der Linken im Verteidigungsausschuss des Bundestages, erklärte am Freitag, die Aussagen zweier Briten als Zeugen vor dem Gremium über Vorgänge in dem US-Gefangenenlager Kandahar Anfang 2002 könnten juristisch relevant werden, da sie eine Aussage von Kurnaz stärkten.

Die beiden Briten waren wie Kurnaz Häftlinge in dem südafghanischen Lager in Kandahar. Die Staatsanwaltschaft wird laut Schäfer zu prüfen haben, ob die "seltsam gleich lautenden" Aussagen von Bundeswehrsoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK), die seinerzeit in dem Lager Wachdienste versahen, als Strafvereitelung zu bewerten seien. Die deutschen Soldaten hatten bestritten, Kurnaz misshandelt zu haben. Einen Lastwagen in dem Lager, hinter dem die Tat stattgefunden haben soll, habe es nicht gegeben.

Einer der beiden Zeugen bestätigte Schäfer zufolge die Existenz eines Lastwagens in dem Lager zum Abtransport von Exkrementen. Der Transport von Latrinebehältern zu dem Lastwagen sei bei den Gefangenen beliebt gewesen, obwohl dabei die Fußfesseln nicht abgenommen worden seien. Dafür habe es erhöhte Essensrationen gegeben, zitierte Schäfer einen Zeugen.

Auch der Anwalt von Kurnaz, Bernhard Docke, sagte der Nachrichtenagentur AP, die Zeugenaussage über den Lastwagen bekräftige die Aussage seines Mandanten. Die Tübinger Staatsanwaltschaft müsse bewerten, ob die als Zeugen gehörten KSK-Soldaten die Wahrheit gesagt hätten.

Laufende Ermittlungen

Schäfer erklärte, die Aussagen der KSK-Soldaten "scheinen sich immer deutlicher als Schutzbehauptungen zu entpuppen, die einem eigentümlichen Korpsgeist geschuldet sind". Die britischen Zeugen hätten darüber hinaus auch deutliche und glaubwürdige Hinweise darauf gegeben, dass in Kandahar Gefangene offensichtlich misshandelt und der Folter durch Schlafentzug ausgesetzt worden seien. Auch schwere Misshandlungen wie Schläge ins Gesicht oder Hochziehen an gefesselten Armen habe es gegeben.

"Warum die als Wachen eingesetzten KSK-Soldaten davon nichts mitbekommen haben wollen, bleibt schleierhaft," erklärte Schäfer. Diese Erkenntnisse werde der Untersuchungsausschuss in seinem Abschlussbericht gebührend zu berücksichtigen haben.

Im August 2007 wurden die Tübinger Ermittlungen nach einer Pause überraschend wieder aufgenommen, weil Anwalt Docke die beiden jetzt vor dem Ausschuss vernommenen Briten als neue Zeugen benannte. Ebenfalls im August waren Aussagen von US-Soldaten bekannt geworden, die die Existenz von Lastwagen in dem Lager bestätigten.

Die Aufklärung der Affäre war auch durch einen Datenskandal erschwert worden, weil die Angaben über Auslandseinsätze der Jahre 1999 bis 2003 bei der Bundeswehr gelöscht worden waren. Der Verteidigungsausschuss setzte seine Untersuchungen deswegen zeitweise aus. Die Panne trat zu Tage, als der Ausschuss im Mai 2007 Unterlagen aus dem Jahre 2002 angefordert hatte, um die Vorgänge um Kurnaz in Kandahar aufzuklären. Er verbrachte nach Kandahar vier Jahre im US-Lager Guantanamo.

(ap)
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