Rechtlich in Ordnung, wirtschaftlich fragwürdig Frau Schmidt und ihr Dienstwagen

Düsseldorf/Alicante (RPO). Die Diskussionen um die Dienstwagen-Affäre von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt reißen nicht ab. Rechtlich gesehen ist der SPD-Politikerin nichts vorzuwerfen – Bundesminister dürfen ihre Luxuslimousinen auch privat nutzen, sofern dies korrekt abgerechnet wird. Verwirrung gibt es allerdings um die dienstlichen Termine der 60-Jährigen im Spanien-Urlaub.

Dienstwagen und Urlaub - so halten es die Regierungsmitglieder
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Dienstwagen und Urlaub - so halten es die Regierungsmitglieder

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Düsseldorf/Alicante (RPO). Die Diskussionen um die Dienstwagen-Affäre von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt reißen nicht ab. Rechtlich gesehen ist der SPD-Politikerin nichts vorzuwerfen — Bundesminister dürfen ihre Luxuslimousinen auch privat nutzen, sofern dies korrekt abgerechnet wird. Verwirrung gibt es allerdings um die dienstlichen Termine der 60-Jährigen im Spanien-Urlaub.

Schmidt führt nach eigenen Angaben ein Fahrtenbuch. "Ich benutze den Dienstwagen auch privat. Das steht mir zu wie jedem, der einen Dienstwagen hat", sagte die Sozialdemokratin. Darin werde genau zwischen dienstlicher und privater Nutzung getrennt.

Grundsätzlich stehen allen Mitgliedern der Bundesregierung personengebundene Dienstwagen zur Verfügung. Diese werden laut Richtlinien der Bundesverwaltung "zur alleinigen und uneingeschränkten Nutzung" zugeteilt. Auch Fahrten außerhalb Deutschlands sind gestattet. Rechtlich gesehen ist somit alles in Ordnung.

Spritkosten in Höhe von 700 Euro

Der Ministerin war in ihrem Urlaubsdomizil in Alicante der Dienst-Mercedes gestohlen worden. Dadurch war erst bekannt geworden, dass die SPD-Politikerin zwar selbst mit dem Flugzeug nach Spanien gereist war, den Dienstwagen aber per Chauffeur die rund 2.500 Kilometer an die Costa Blanca fahren ließ. Experten schätzten allein die Spritkosten für Hin- und Rückfahrt auf rund 700 Euro. Insgesamt würden mit Mautgebühren, Übernachtungen, Gehalt des Fahrers (29 Euro pro Stunde) etc. rund 10.000 Euro für An- und Abreise anfallen, rechnete der Steuerzahlerbund vor.

Und diese Kosten sind eben der springende Punkt: Wie Schmidt zurecht sagt, nutzen viele Menschen mit Dienstwagen diesen auch für private Fahrten. Ein Sparkassen-Leiter ebenso wie der Chef einer Baufirma. Nur werden in der freien Wirtschaft eben nicht direkt Steuergelder in Anspruch genommen - die Belastung geht meist auf Kosten der Unternehmen.

Mietwagen wäre weitaus billiger

Eine Schmidt-Sprecherin relativierte die Spritkosten gegenüber "Bild" allerdings und bezifferte sie "nur" auf 500 Euro. Sie erklärte, dass ein gleichwertiger Leihwagen pro Tag genausoviel kosten würde. Tatsächlich bewegen sich die Leihwagen-Preise für ein vergleichbares Fahrzeug auf einem ähnlichen Niveau — allerdings nur, wenn man das Auto lediglich für einen Tag mietet. Mit zunehmender Mietdauer verbessern sich natürlich auch die Konditionen. Bei einem Zwei-Wochen-Urlaub käme man also weit billiger weg.

Die nahe Alicante gestohlene Fahrzeug mit einem Listenpreis von über 90.000 Euro war zudem nicht versichert. Der Bund verzichtet bei den meisten seiner Fahrzeugen auf einen derartigen Schutz, weil er sich finanzstark genug wähnt, eventuelle Schadenskosten selbst zu regulieren und die Prämien somit einsparen will. Am Ende wird damit im konkreten Fall der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Verwirrung um Termine

Schmidt wollte den Mercedes in Spanien ursprünglich auch für dienstliche Termine nutzen. In den zwei Wochen Urlaub standen einer Sprecherin zufolge zwei Auftritte auf dem Programm. Der eine war ein Empfang bei der Bürgermeisterin von Denia, der andere bestand in einer Rede im Kulturhaus des Nachbarortes Els Poblets.

Doch die Bürgermeisterin von Denia, Ana Maria Kringe Sanchez, erklärte gegenüber der "Bild", ein Termin mit Ulla Schmidt sei nie geplant gewesen. Stattdessen setzte Schmidt ihre Unterschrift ins Goldene Buch der Stadt Els Poblets. Dort war die SPD-Politikerin in einem Mietfahrzeug (silberner Audi A6) mit spanischem Kennzeichen vorgefahren. Zu Fuß ging Schmidt anschließend zu ihrem Vortrag im Kulturhaus des Orts, wo sie von 250 Rentnern etwa 75 Minuten sprach.

Am Samstag noch hatte die Sprecherin zudem Besuche Schmidts in Seniorenheimen und Krankenhäusern erwähnt, die die Ministerin aber bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht vornahm.

Was hätte Schmidt anders machen sollen?

Da die Ministerin nur an einem Tag dienstliche Termine hatte, wäre es wirtschaftlicher gewesen, sich vor Ort eine Limousine mit Fahrer zu mieten oder einen Wagen von der Botschaft in Madrid zu ordern. Den eigenen Chauffeur nun zwei Wochen am Mittelmeer unterbringen zu lassen, erscheint mit arg übertriebenen Kosten für den Steuerzahler verbunden. Hinzu kommen die nicht verhältnismäßigen Ausgaben für An- und Abreise der Limousine.

Was muss die Ministerin nun tun?

So lange Schmidt ihre privaten Fahrten innerhalb Spaniens korrekt im Fahrtenbuch einträgt, ist alles in Ordnung. 2008 etwa legte sie für private Zwecke über 6100 Kilometer mit dem Dienstfahrzeug zurück.

Wie wird generell zwischen privaten und dienstlichen Terminen getrennt?

Die Richtlinien sind Auslegungssache. Ob ein Regierungsmitglied die Fahrten als dienstlich oder privat deklariert, bleibt ihm überlassen.

Wer darf den Dienstwagen immer nutzen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) unterliegen der höchsten Gefährdungsstufe 1 und sind aufgrund ihrer Ämter auch in ihren Urlauben auf ihre gepanzerten Dienstwagen und Personenschützer angewiesen. Die Nutzung ist jedoch kein Muss: Verteidigungsminister Jung etwa steht aktuell im Urlaub zwar unter Personenschutz, nutzt aber Mietwagen vor Ort.

Wie es die anderen Kabinettsmitglieder mit Dienstwagen im Urlaub halten, erfahren Sie in unserer Fotostrecke.

SPD-Chef Franz Müntefering hat die Gesundheitsministerin unterdessen vor Vorwürfen wegen der Dienstwagennutzung im Urlaub in Schutz genommen. "Ulla Schmidt hat schon viele Male mit Vorurteilen leben müssen", sagte der Parteichef am Dienstag am Rande einer SPD-Wahlkampfkonferenz in Hannover. Schmidt sei in den vergangenen Wochen auch für die Honorarreform bei den Ärzten ungerechtfertig beschimpft worden. "Das ist eine gestandene Frau. Die wird das bestehen. Da bin ich ganz sicher", sagte Müntefering.

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