Votum gegen Masseneinwanderung St. Martin, das Bergdorf mit dem Stimmzettel-Chaos

Bern · 50,43 Prozent – eine denkbar knappe Mehrheit der Schweizer hatte sich in einem Volksentscheid für Beschränkungen bei der Zuwanderung ausgesprochen. Ein Bergdorf aber stimmte zu 100 Prozent für die Verschärfung. Doch offenbar gab es eine Abstimmungspanne.

 Die Idylle trügt. In St. Martin ist zu einer peinlichen Panne beim Auszählen von Stimmen gekommen.

Die Idylle trügt. In St. Martin ist zu einer peinlichen Panne beim Auszählen von Stimmen gekommen.

Foto: CC BY-SA 3.0/Adrian Michael

50,43 Prozent — eine denkbar knappe Mehrheit der Schweizer hatte sich in einem Volksentscheid für Beschränkungen bei der Zuwanderung ausgesprochen. Ein Bergdorf aber stimmte zu 100 Prozent für die Verschärfung. Doch offenbar gab es eine Abstimmungspanne.

Eine Panne beim Urnengang ist peinlich. Doch die Verantwortlichen einer kleinen Gemeinde im Süden der Alpenrepublik toppten den Grad der Peinlichkeit locker: In St. Martin wurden nur 13 Stimmen abgegeben, weil nur 36 Menschen in dem Weiler in der Nähe von Vals in Graubünden leben.

Von den 13 abgebenen Stimmen aber sind lediglich acht offiziell erfasst und gezählt worden — allesamt Anhänger der Verschärfung des Zuwandererrechts. Fünf St. Martiner votierten dagegen. Seltsamerweise gingen die Nein-Stimmen verloren. So stand das Abstimmungsergebnis fest: 8 Ja, 0 Nein. Das vermeldete die Staatskanzlei Chur wenig später.

"Rechteste Gemeinde"

Gefundenes Fressen für Teile der Presse, die nach dem Votum von der "extremsten" und "rechtesten" Gemeinde der Schweiz sprachen. Wie sich nun am Mittwoch herausstellte, kam es zu einer folgenschweren Abstimmungspanne.

Das berichtet die Schweizer Zeitung "Blick". So wurden fünf Stimmen nicht gezählt. Bürgermeister Maurus Baumgartner sagte dem Blatt, dass sein Telefon seither nicht mehr still stehe. "Mir tut das leid. Ich fühle mich saumäßig schlecht. Doch mein Fehler war diese Abstimmungspanne wirklich nicht."

Stimmzettel im Briefkasten

Wie aber konnte es dann zu dieser Panne kommen? Baumgartner erinnert sich im "Blick". Er habe die von den Bürgern verschlossenen Umschläge mit dem Stimmzettel in seinem Briefkasten vorgefunden und diese dann runter ins Tal zum alten Schulhaus, dem Abstimmunsbüro, gebracht.

Der für die Wahl Verwantwortliche öffnete diese und trug die Ergebnisse der Stimmzettel in ein "handschriftliches Protokoll" ein — 8 Ja- und 5 Nein-Stimmen. Ab in die hölzerne Urne. Im sieben-Kilometer-entfernten Vals wurden die Ergebnisse dann in einen Computer getippt. In diesem Moment muss der Fehler passiert sein. Die 8 Ja-Stimmen wurden übertragen, nicht aber die 5 Nein. In Chur kamen 0 Nein an.

"Manipulation können wir ausschließen"

Walter Frizzoni von der Staatskanzlei Chur glaubt weiterhin nicht an Manipulation und erklärt "Blick": "Das können wir ausschließen. Nachdem die Stimmzettel von uns nun neu gezählt wurden, werden wir das Ergebnis am Donnerstag im Kantonalen Amtsblatt korrigieren."

Am Sonntag hatten die Schweizer mit knapper Mehrheit für eine Begrenzung der Zuwanderung von Ausländern gestimmt. Auf Initiative der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) sollen nun die Kantone eine Höchstzahl von Zuwanderern festlegen.

Die Regierung in Bern muss das Anliegen innerhalb von drei Jahren umsetzen. Die Nachricht aus der Schweiz hatte bei rechtspopulistischen Parteien für Begeisterung gesorgt und für Spannungen in den Beziehungen zur Europäischen Union.

(nbe)
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