Paris Franzosen streichen das "Mademoiselle"

Paris · Französische Feministinnen kämpfen dafür, dass die Bezeichnung "Mademoiselle" aus amtlichen Formularen entfernt wird. Der Begriff sei reduzierend und diskriminierend. In Deutschland wurde das "Fräulein" schon 1972 aus dem Amtsdeutsch gestrichen. Verschwunden ist es aber nicht.

Mademoiselle oder Madame? Bisher sind in Frankreich beide Begriffe gebräuchlich, wenn es darum geht, eine Frau anzusprechen. Doch nun hat in unserem Nachbarland eine große Diskussion eingesetzt, seit Feministinnen zum Kampf gegen das "Mademoiselle" aufgerufen haben. Das "Fräulein" ist ihnen ein Dorn im Auge – zu sexistisch und überdies diskriminierend sei die Anrede, argumentieren mehrere Frauenrechts-Verbände. Sie rufen die französischen Frauen auf, Protestbriefe an ihre Abgeordneten zu schicken, um die Bezeichnung vor allem aus dem Behördenalltag zu verbannen.

Ob Mietvertrag, Steuererklärung, Eröffnung eines Bankkontos oder Reisebuchung – in Frankreich stehen auf Formularen immer drei Kästchen: Herr, Frau oder Fräulein. Während für den Mann nur eines in Frage kommt, muss die Frau durchaus unterscheiden: Ist sie verheiratet, muss sie Madame ankreuzen, ist sie es nicht, dann Mademoiselle – auch wenn sie über 50 Jahre alt ist und mehrere Kinder hat.

Für Julie Muret vom Verband "Osez le féminisme" (Mut zum Feminismus) ist dies ein Kästchen zu viel: "Das Wort Mademoiselle geht auf ,oiselle' (kleines Vögelchen) zurück, was im übertragenen Sinne für ein naives und dümmliches Mädchen steht. Das ist reduzierend und diskriminierend. Überdies geht es niemanden etwas an, ob die Frau verheiratet ist oder nicht. Bei Männern fragt man ja auch nicht nach." Muret verweist darauf, dass letztere auch nicht "Mondamoiseau" (Herrlein) genannt würden. In ihrer Anti-Fräulein-Kampagne appellieren Muret und andere Feministinnen an die französischen Frauen, die Anrede "Mademoiselle" auf Formularen künftig einfach durchzustreichen oder nicht mehr anzukreuzen. So könnten Frauen den Zwang, Auskunft über ihre persönliche und familiäre Situation zu geben, umgehen.

Gerne verweisen die Feministinnen auf das Beispiel Deutschland. Hierzulande ist die Anrede "Fräulein" bereits seit Anfang der 1970er Jahre auf Behördenformularen tabu. Dabei hatte der Begriff noch in den 50ern Furore gemacht. Als "Fräuleinwunder" bezeichneten amerikanische GIs nach dem Krieg attraktive und selbstbewusste deutsche Frauen; das Wort Fräulein fand als Fremdwort den Weg ins Englische. Schon 1955 aber legte das Bundesinnenministerium Wert darauf, dass jede weibliche Person als "Frau" anzureden sei, wenn sie das wünsche. 1972 wurde "Fräulein" aus dem amtlichen Sprachgebrauch gestrichen, auch als Folge feministischen Protestes gegen die im Wort implizierte Diskriminierung, dass ein Fräulein erst durch Heirat zur Frau werde.

Im deutschen Alltag hat das "Fräulein" in bestimmten Zusammenhängen – etwa um junge, erfolgreiche Frauen hervorzuheben oder aus übertriebener Höflichkeit – durchaus überlebt. Laut einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2008 empfinden sogar nur sieben Prozent der Befragten die Benutzung des Begriffs als ärgerlich. Und immerhin 47 Prozent geben zu, "Fräulein" gelegentlich als Anrede zu gebrauchen.

In Frankreich wird die Zahl noch höher sein. Dort hat das Wort "Mademoiselle" einen anderen Stellenwert als das deutsche "Fräulein". Und so sind nicht alle Französinnen von der Kampagne begeistert. Vor allem ältere Damen fühlen sich im Gegenteil geschmeichelt, als Mademoiselle durchzugehen. Schließlich gilt die Mademoiselle als jung, schön und begehrenswert. Manche Französin fordert diese Anrede geradezu ein, wie etwa die Filmdiva Catherine Deneuve – obschon 67 Jahre alt – oder ihre Kollegin Jeanne Moreau. Ihr wird nachgesagt, jedem harsch über den Mund zu fahren, der es wagt, sie als Madame Moreau zu titulieren.

Dass sich gerade Schauspielerinnen gerne "Mademoiselle" nennen lassen, ist ein Relikt des 17. Jahrhunderts. Weil Frauen nach Ansicht der Katholischen Kirche auf Theater-Bühnen nichts zu suchen hatten, wurden Schauspielerinnen damals einfach exkommuniziert. Diese konnten entsprechend nicht heiraten und blieben auf ewig zum "Fräulein"-Dasein verdammt. Diese Tradition hat auch Frankreichs berühmteste Mademoiselle übernommen: Coco Chanel. Die Modeschöpferin ließ sich bis ins hohe Alter so anreden. Dabei war "Mademoiselle Coco", die die Frauen aus dem Korsett befreite und ein vergnügungsreiches Leben führte, wahrlich alles andere als ein erniedrigtes Fräulein mit mangelndem Selbstbewusstsein.

(RP)
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