Spurensuche nach Bluttat in Karlsruhe Woher hatte der Geiselnehmer die Waffen?

Karlsruhe zwischen Trauer und Fassungslosigkeit: Einen Tag nach dem Geiseldrama mit fünf Toten untersuchen die Ermittler die Hintergründe der schrecklichen Tragödie. Von der Auswertung der Spuren am Tatort erhoffen sie sich Aufschluss auch zur Herkunft der Waffen. Zudem gehen sie Zeugenaussagen nach, wonach schon am Vorabend Schüsse in der Wohnung gefallen sein sollen.

Geiseldrama in Karlsruhe: Die Chronik der Ereignisse
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Foto: dapd, Daniel Kopatsch

Die Beamten schließen nicht aus, dass die Freundin des Täters schon vor der Geiselnahme von diesem getötet wurde. Klarheit soll eine Obduktion bringen, deren Ergebnisse am Freitag veröffentlicht werden sollen. "Denkbar ist, dass er vor den Scherben seines Lebens gestanden ist", sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag zu den Motiven des Täters.

Ein 53-jähriger Franzose hatte am Mittwoch bei einer Zwangsräumung der Wohnung seiner Freundin den Gerichtsvollzieher (47), einen Mitarbeiter des Schlüsseldienstes (33) und den neuen Wohnungseigentümer (49) erschossen. Seine zwei Jahre ältere Freundin wurde mit einem Brustschuss tot im Bett gefunden. Am Ende richtete sich der Täter selbst. "Er hat erst jene bestraft, die er für seine Lage verantwortlich machte, und dann sich selbst getötet", sagte der Kriminologe Rudolf Egg, Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. Wie bei einem Amoklauf sei auch diese Tat längst abgeschlossen gewesen, als die Einsatzkräfte gekommen seien.

Der Elsässer hatte schon seit Jahren mit der 55-Jährigen in deren Wohnung gelebt. Beide waren arbeitslos. Weil die Frau mit den Zahlungen an die Hausgemeinschaft im Rückstand war, wurde im April die Wohnung zwangsversteigert. Sie sollte in eine Übergangsunterkunft der Stadt ziehen. "Von dem Mann wussten wir nichts", sagte ein Stadtsprecher. Er war nicht offiziell gemeldet.

Die Ermittler gehen davon aus, dass er die Geiselnahme und die Ermordung seiner Opfer lange zuvor geplant hat. Er war nicht wegen Gewaltdelikten vorbestraft, vor Jahren hatte er aber einen Ladendiebstahl verübt, bei dem er ein Messer dabei hatte.

Woher stammen die Waffen?

Der Geiselnehmer hatte ein Schrotgewehr, ein Gewehr mit langem Magazin, zwei Pistolen und eine Übungshandgranate. Die Fahnder wollen mit Hilfe der deutsch-französischen Polizeistelle in Kehl herausfinden, woher er die Waffen hatte und ob er möglicherweise eine französische Waffenerlaubnis hatte.

Der Staatsanwaltschaft zufolge konnte der Gerichtsvollzieher "zu keinem Zeitpunkt" mit dem schlimmen Verlauf rechnen. Er hatte einen Sozialarbeiter dabei, der als einziger die Tragödie überlebte. Der Geiselnehmer hatte ihn nach einer Stunde freigelassen.

"Es ist eine Karlsruher Besonderheit, dass bei Zwangsräumungen ein Sozialarbeiter dabei ist", so ein Sprecher der Stadt. Angesichts der Ereignisse stehe das Angebot auf dem Prüfstand.

Monatlich 12 Zwangsversteigerungen

In Karlsruhe gibt es monatlich ein Dutzend Zwangsversteigerungen, vergleichsweise wenig angesichts von rund 300.000 Einwohnern, wie der Sprecher betonte. Die Stadt hilft Betroffenen bei der Suche nach einer neuen Bleibe und gibt notfalls auch Überbrückungsgelder. Dadurch könne die Hälfte der Zwangsversteigerungen verhindert werden. "In diesem Fall ist uns das aber offenbar nicht gelungen", so der Sprecher.

Wenn jemand aus seiner Wohnung raus muss, ist das nach Erfahrung von Sozialarbeitern eines der existenziell bedrohlichsten Erlebnisse. "Es ist ein furchtbarer Schock. Es ist, als ob einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird", beschreibt es der Leiter der Karlsruher AWO-Wohnungslosenhilfe, Martin Gauly. Die Wut der Betroffenen einer Zwangsräumung richte sich vor allem gegen den Gerichtsvollzieher.

Der getötete Gerichtsvollzieher war ebenso Familienvater wie der Schlosser, der eine schwangere Frau hinterlässt. Nach den Worten von Landespolizeipräsident Wolf Hammann bitten Gerichtsvollzieher in kritischen Situationen häufig um Polizeischutz: "Das kommt jeden Tag ein Mal vor, dass die Polizei Amtshilfe leistet." Baden-Württermberg will indessen seine Gerichtsvollzieher besser ausbilden. Als erstes Bundesland plane man, die Ausbildung auf eine Fachhochschulausbildung umzustellen, um den sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden.

(dpa)
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