Deutscher "Concordia"-Überlebender "Italienische Justiz ist zu lasch"

Recklinghausen · Ein halbes Jahr nach dem Unglück der "Costa Concordia" mit 30 Toten hat ein deutscher Überlebender erneut Vorwürfe gegen den Kapitän, die Reederei und die Justiz gerichtet.

 Herbert Greszuk, Überlebender der "Concordia"-Katastrophe, findet den Umgang der italienischen Justiz mit dem Kapitän des verunglückten Kreuzfahrtschiffes zu lasch.

Herbert Greszuk, Überlebender der "Concordia"-Katastrophe, findet den Umgang der italienischen Justiz mit dem Kapitän des verunglückten Kreuzfahrtschiffes zu lasch.

Foto: dpa, Roland Weihrauch

Die Entlassung des Kapitäns aus dem Hausarrest sei nicht richtig. "Ich habe wirklich Sorge, dass die italienische Justiz zu lasch ist", sagte Herbert Greszuk in Recklinghausen der Deutschen Presse-Agentur. Er habe Angst, dass sich Kapitän Francesco Schettino absetze.

Die Interview-Aussage von Schettino, alles sei nur ein einfacher Unfall, sei wie ein Schlag ins Gesicht gewesen, betonte Greszuk. "Ich will ihn nicht beschuldigen." Aber das Unglück habe Verletzte und Tote gefordert. Er selbst wache nachts schweißgebadet auf und sei immer noch in psychologischer Behandlung. "Die Erfahrung gönne ich meinem ärgsten Feind nicht", sagte er. So banal könne Schettino die Folgen nicht abtun.

Von der italienischen Justiz fordert Greszuk eine komplette Aufklärung. Dazu gehöre die Überprüfung, wie sicher überhaupt die Schiffe seien. Die "Costa Concordia" habe einen Tiefgang von sieben Metern bei einer Höhe über Wasser von etwa 60 Metern. Das könne unter schwierigen Bedingungen nicht gut gehen. "Das ist so, als wenn man im Kanu Samba tanzt", sagte Greszuk. Er stehe deshalb auch hinter dem US-Anwalt von 120 Opfern, der Klage gegen den Konstrukteur eingereicht habe.

Er frage sich auch, wie die während der Reise zugestiegenen Menschen vom Schiff gekommen seien. Sie hätten überhaupt keine Unterweisung für Unglücksfälle bekommen. "Die mussten sich selbst schlaumachen."

Klage gegen den Kapitän

Greszuk klagt über einen Anwalt im nordrhein-westfälischen Marl gegen den Kapitän und verantwortliche Offiziere. "Es geht um den Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung, der Aussetzung, Gefährdung des Schiffsverkehrs und um unterlassene Hilfeleistung", sagte Anwalt Hans Reinhardt. Er vertritt 19 Passagiere.

Das Angebot von Reederei und deren Versicherung, mit einer Pauschale von 11.000 Euro sämtliche Forderungen abzugleichen, will Greszuk nicht annehmen. 50.000 Euro, so hätten sie ausgerechnet, wären wohl eher angemessen. Allein für seinen verlorengegangenen Zahnersatz müsse er mehrere Tausend Euro bezahlen.

Greszuk hatte die Kreuzfahrt mit seinem Partner angetreten. "Als das Unglück sich anbahnte, waren wir in der Bar. Erst gab es einen Ruck. Dann fing das Schiff an beizudrehen, dann kam der Crash. Das war, als wenn ein Auto gegen die Wand fährt", beschrieb Greszuk.

Es habe lange gedauert, bis sie Platz in einem Rettungsboot gefunden hätten. "Als die Winden arbeiteten, aber nichts passierte, hab ich Panik bekommen", schilderte Greszuk. Dann sei das Rettungsboot durchgesackt. "Wir haben nur Wasser und Dunkelheit gesehen. Erst als wir um das Schiff herumgefahren sind, haben wir gemerkt, dass das Land so nah war."

Greszuk und sein Partner sind später noch einmal zur Unglücksstelle gereist. "Wir haben uns bei den Einwohnern für die Hilfe bedankt."

(lnw)
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