Nach Streit um Pius-Bruderschaft "Ein Schatten fällt auf das Pontifikat"

Düsseldorf (RP). Deutsche Bischöfe befürchten in der Debatte um die Pius-Bruderschaft desaströse Auswirkungen auf die Kirche. So wünscht sich Bischof Gebhard Fürst mutige römische Signale im Geiste des II. Vaticanums.

Rom! - Audienz beim Papst
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Die Führung der katholischen Kirche in Deutschland ist tief besorgt, dass sich das, was im Vatikan schiefgelaufen ist, für die Kirche verheerend auswirkt. In der Umgebung des Bischofs von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, hieß es gestern, es bestehe kein Zweifel, dass das Desaster der letzten Tage im Augenblick einen schweren Schatten auf das Pontifikat Benedikts XVI. werfe.

Fürst verwahre sich aber ausdrücklich gegen jüngste Vorwürfe an die Adresse des Papstes, dieser sei entrückt und weltfremd. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass sich Benedikt XVI. intensiv um den Dialog mit den anderen Religionen sowie um die Auseinandersetzung mit modernen Wissenschaften bemühe.

Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart erwartet, dass sich die Kirche insgesamt jetzt besonders energisch und mutig der Umsetzung der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils "und dessen reichen Erbes" stellt. Es bestehe Weiterentwicklungs-Bedarf, damit diejenigen, die auf dem Boden des Konzils stehen, sich nicht brüskiert fühlen und enttäuscht würden. Er sei dankbar, dass der Papst, der ja auch Konzils-Theologe gewesen sei, die uneingeschränkte Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils noch einmal als Grundvoraussetzung für die Einheit mit der katholischen Kirche benannt habe.

Ökumenische Zeichen

In der großen Diözese Rottenburg-Stuttgart wünscht man sich, dass Benedikt XVI. bei bevorstehenden wichtigen Personalentscheidungen Signale im Geiste des Konzils setzt. Gemeint sind die Entscheidungen über die Nachfolge des päpstlichen "Ökumene-Ministers", Kardinal Walter Kasper in Rom, sowie über die Neubesetzung der Bischofsstühle Trier und Essen. Die Anlässe böten eine exzellente Gelegenheit, auch durch vatikanische Personalpolitik ökumenische Zeichen zu setzen.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, rechnet damit, dass Benedikt XVI. 2010, zwanzig Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, seinen dritten Heimatbesuch als Papst machen wird. Die Frage bleibt, ob dann noch etwas von der Begeisterung zu spüren sein wird, welche die Visiten Benedikts 2005 beim Weltjugendtag in Köln und 2006 in Bayern kennzeichneten.

Die deutschen Bischöfe sind bemüht, den Pontifex von Mitschuld an den Kommunikations-Pannen in der Kurie freizusprechen. Zollitsch hatte im ZDF gesagt, man habe den Papst bei der Entscheidung über die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Bruderschaft Pius X. leichtfertig ins Messer laufen lassen.

"Ignorant und kaltherzig"

Fürst betonte die besondere Integrität des Papstes, der ihn bei persönlichen Begegnungen stets durch Offenheit, Gesprächsfähigkeit und die Bereitschaft zum Zuhören beeindruckt habe. Indirekt übte der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Kritik an Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, indem er sagte: "Der Papst hat immer wieder klargestellt, dass für Antisemitismus und Holocaust-Leugnung kein Platz in der Kirche sei. Es ist deshalb unangebracht, den Papst zu immer neuen Klarstellungen aufzufordern.

Der protestantische CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hält Merkels Intervention laut "Süddeutscher Zeitung" für "ignorant und kaltherzig". Der künftige Bischof von Münster, Felix Genn, meinte im Gespräch mit unserer Zeitung zu Merkels Ermahnungen: "Das können wir schon selber regeln." Dennoch sei das Thema längst nicht erledigt.

So zweifelt Genn daran, dass die Pius-Priesterbruderschaft in die katholische Kirche zurückkehren könne. Auf die Frage, ob es glaubhaft wäre, sollte Bischof Williamson plötzlich von seiner Leugnung des Holocausts Abstand nehmen, sagte Genn: "Dann hätte er das jetzt schon längst tun können. Aber er hat es nicht getan."

"Cloaca Maxima"

Ohnehin scheinen die vier Bischöfe der Bruderschaft selbst nach der Aufhebung ihrer Exkommunikation wenig vom Gehorsam zum Papst zu zu halten. Wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, seien für Ende Juni innerhalb der Glaubensgemeinschaft weitere Priesterweihen angesetzt. Das aber ist den vier abtrünnigen und nach wie vor vom Weiheamt suspendierten Bischöfen nicht gestattet. Unter Kirchenrechtlern wird dieser Schritt als ein Akt bewussten Ungehorsams gegen die Autorität des Papstes gesehen.

Medien aus Italien berichten, dass der dortige Vorsteher der Pius-Brüder das Konzil als "Cloaca Maxima" und "Ketzerei" bezeichnet habe. Unterdessen nahm Pater Franz Schmidberger, er ist Distriktoberer der Priesterbruderschaft in Deutschland, den Ausdruck "Kinderschänder" für den Propheten Mohammed zurück. Seine Begründung: Die Wortwahl sei geeignet, "Muslime in ihren religiösen Gefühlen zu verletzen".

Diese Debatte, das steht fest, hat dem Vatikan immens geschadet. "Ich hoffe nur", sagt der Ratzinger-Schüler Bischof Felix Genn, dass "man auf Dauer spüren wird, welcher Schatz auch für Deutschland dieser Papst eigentlich ist — und dass man jetzt nicht einfach sagt: Das war es dann."

Nach Genn sei das Fruchtbare der ganzen Auseinandersetzung, zu sehen, wie "sensibel viele gegenüber Fragen zum Judentum" sind und was die Menschen von der Kirche erwarten.

(RP)
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