Nach Holocaust-Skandal Austrittswelle aus Kirche hat eingesetzt

Passau (RPO). Der katholischen Kirche laufen nach Einschätzung von Experten wegen der Turbulenzen um die umstrittene Pius-Bruderschaft vermehrt die Mitglieder weg. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", sagte der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Eberhard von Gemmingen.

 Vor tausenden Pilgern wurden die Namen der 498 Seligen verlesen.

Vor tausenden Pilgern wurden die Namen der 498 Seligen verlesen.

Foto: AP, AP

Austreten könne man allerdings nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz sagte er "Passauer Neuen Presse". "In anderen Ländern ist dies gar nicht möglich, weil die Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann", fügte der Pater hinzu. Ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz war am Samstag zunächst nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.

Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken sei "ein wenig lädiert", meinte Gemmingen. Der geplante Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation möglicherweise verbessern. "Es schmerzt, wenn man sieht, dass viele Menschen Rom und den Papst nicht mehr verstehen", wurde er weiter zitiert. Gleichzeitig äußerte er Skepsis, ob der Papst seine geplante Israel-Reise antreten werde: "Ob sie wirklich zustande kommt, ist noch sehr offen." Gleichwohl gebe es keine Signale aus Israel, dass die Reise infrage stehe.

"Nicht nur Kommunikationsprobleme"

Deutliche Kritik äußerte Gemmingen am Vorgehen des Vatikans: "Hier handelt es sich nicht nur um ein Kommunikationsproblem. Es gibt auch ein Organisationsproblem. Entscheidungen dürfen nicht an den Zuständigen im Vatikan vorbei getroffen werden. Es muss besser informiert und gemeinsam entschieden werden. Aber im Vatikan wird sich bei der Kommunikation nur sehr langsam und sehr wenig ändern. Ich warne vor zu hohen Erwartungen. In Rom schüttelt man über die Aufregung in Deutschland den Kopf", sagte der Pater.

Gemmingen forderte eine Erklärung des Vatikans an die Lefebvre-Anhänger, "in dem der gesamten Kirchenwelt die Forderungen des Papstes und des Vatikan deutlich gemacht werden". Sollte die Pius-Bruderschaft nicht einlenken, "dann muss man den Versuch aufgeben, sie zurückzuholen", sagte Gemmingen.

Mitte der Woche hatte der Vatikan auf die immer heftigere Kritik im Fall Richard Williamson reagiert und den Holocaust-Leugner zu einer "unmissverständlichen Distanzierung" aufgefordert. Dieser könne erst wieder voll in die Kirche aufgenommen werden, wenn er von seinen Positionen zum Völkermord an den Juden abrücke, heißt es in einer am Mittwochnachmittag verbreiteten Erklärung. Zudem müsse sich die ultrakonservative Pius-Bruderschaft zu den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils und aller seither gewählten Päpste bekennen.

Der Vatikan betonte, Benedikt XVI. habe von den Ansichten Williamsons nichts gewusst, als er der Aufhebung von dessen Exkommunikation sowie der von drei anderen Bischöfen der Pius-Bruderschaft zugestimmt habe, hieß es in der Erklärung. Der britische Bischof hatte in einem Interview erklärt, es gebe Beweismaterial, dass nur 200.000 bis 300.000 Juden während des Zweiten Weltkriegs getötet worden seien.

Die ultrakonservative Pius-Bruderschaft in Italien hat laut Medienberichten einen Priester nach dessen zweifelnden Äußerungen zum Ausmaß des Holocaust ausgeschlossen. Der Ausschluss von Floriano Abrahamowicz solle verhindern, dass ihr Image verzerrt werde, erklärte die Bruderschaft am Freitag nach Berichten der italienischen Nachrichtenagenturen ANSA und Apcom.

Abrahamowicz habe wiederholt Ansichten geäußert, die nicht der offiziellen Haltung der Bruderschaft entsprächen, zitierten die Berichte aus der Erklärung. Der Priester hatte unter anderem am Ausmaß des Holocaust gezweifelt und sich gegen das Zweite Vatikanische Konzil gestellt. Er hatte auch den britischen Holocaust-Leugner Richard Williamson in Schutz genommen.

(AFP)
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