"Reale Bedrohung vielfach ignoriert" BKA-Chef: Attentäter sind in Deutschland

Hamburg (RPO). Die Terrorgefahr wird in Deutschland immer realer: Hierzulande leben etwa 80 bis 85 Islamisten, denen das Bundeskriminalamt (BKA) Anschläge zutraut. BKA-Präsident Jörg Ziercke geht davon aus, dass Al Quaida Anschläge in der Bundesrepublik bereits beschlossen hat.

 Jörg Ziercke warnt vor Al-Qaida-Anschlägen.

Jörg Ziercke warnt vor Al-Qaida-Anschlägen.

Foto: AP, AP

Ziercke sagte dem "Hamburger Abendblatt", seine Behörde vermute, dass auf höchster Ebene der Al Kaida die Entscheidung gefallen sei, Anschläge auch in Deutschland zu begehen - auch wenn dem BKA konkrete Hinweise darauf derzeit nicht vorlägen. Nach seinem Empfinden wird "die reale Bedrohung vielfach ignoriert", sagte Ziercke.

Er verwies darauf, dass man aus den vergangenen zehn Jahren von über 100 Leuten aus Deutschland wisse, die in den Ausbildungslagern gewesen seien. "Bei etwa 50 von ihnen sind wir sicher, dass sie in den letzten sechs, sieben Jahren dort waren. Im Moment gibt es eine Gruppe von sechs bis acht Terrorverdächtigen, die wir noch in den Lagern vermuten", sagte er.

Zugleich verwies Ziercke auf die Zunahme von Drohbotschaften gegen die Bundesrepublik. "Seit 2001 haben wir 30 bis 40 Verlautbarungen mit Deutschlandbezug registriert. Seit 2008 verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg", sagte Ziercke. Die "terroristischen Verdachtslagen", die sich aus Hinweisen ergäben, gingen "weit über die sieben Anschläge, die wir seit 2001 verhindert haben, hinaus. Das waren etwa zehn Mal so viele", sagte Ziercke.

Wenige Wochen vor Beginn des Terror-Prozesses gegen die sogenannte Sauerlandgruppe ist nach Zierckes Angaben die gesamte Anschlagsplanung der mutmaßlichen Terroristen längst nicht aufgeklärt. Der Kreis der Verdächtigen habe sich bei den noch laufenden Ermittlungen sukzessive ausgeweitet und liege inzwischen bei rund 20. Eine sichergestellte Datei hätten die Ermittler bis heute nicht entschlüsseln können. Mit der Festnahme der drei Hauptverdächtigen sei lediglich die Gefahrenspitze in diesem Fall gekappt worden.

Online-Durchsuchung auch bei Organisierter Kriminalität

Ziercke hält es zudem für denkbar, Online-Durchsuchungen auch im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität einzusetzen. Er sei gespannt, wie über Online-Durchsuchungen in fünf Jahren diskutiert werde, "wenn auch die Organisierte Kriminalität sich der verschlüsselten Datenspeicherung und Kommunikation immer stärker bedient".

Zunächst sammele seine Behörde Erfahrungen im Bereich der terroristischen Gefahrenabwehr. "Wir werden wie bisher auch diejenigen Fälle dokumentieren und im politischen Raum vortragen, in denen es uns nicht möglich war, unsere Ermittlungen voranzutreiben", sagte er. Für die Terrorabwehr sei die Online-Durchsuchung bisher noch nicht eingesetzt worden. Er rechne mit vier bis fünf Durchsuchungen im Jahr.

(AP)
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