Interview Beatrix Schuren Gründer brauchen tragfähiges Konzept

Neuss · Die meisten Existenzgründer in Neuss machen sich im Dienstleistungsbereich selbstständig. Waren es vor einigen Jahren noch viele Arbeitslose, die so ihr Einkommen sichern wollten, kommen heute die meisten aus einem festen Job.

 Beatrix Schuren ist bei der Wirtschaftsförderung Neuss in der Beratung tätig.

Beatrix Schuren ist bei der Wirtschaftsförderung Neuss in der Beratung tätig.

Foto: Andreas Woitschützke

Jedes zweite neu gegründete Unternehmen muss nach vier bis fünf Jahren schließen oder rutscht unter 17 500 Euro Umsatz pro Jahr, hat das Institut für Mittelstandsforschung ermittelt. Beatrix Schuren von der Wirtschaftsförderung Neuss berät Existenzgründer in der größten Stadt des Kreises.

In welchen Bereichen wollen die Interessenten Unternehmen gründen?

Schuren Hauptsächlich im Dienstleistungsbereich, hier vor allem in der IT-Beratung, aber auch in Heil- und Heilhilfsberufen. Seltener wollen sich die Leute in der Gastronomie oder im Handwerk selbstständig machen.

Wie viele Existenzgründungen gibt es in Neuss pro Jahr?

Beatrix Schuren Das weiß die Gewerbemeldestelle genau. Wir führen nur eine Statistik über unsere Beratungsgespräche. Das sind etwa 40 im vergangenen Jahr gewesen, und zwar echte Individualberatungen. Anrufe mit kurzen Nachfragen zählen wir nicht dazu.

Woher kommen die Ratsuchenden?

Schuren Wir sind eigentlich für Neusser zuständig. Aber wenn mal jemand aus Grevenbroich oder Korschenbroich eine Beratung wünscht und es zeitlich passt, helfen wir auch ihnen weiter.

Wer will denn in Neuss Unternehmer werden?

Schuren Unsere Ratsuchenden sind ein Querschnitt durch alle Bevölkerungsschichten. Die meisten sind Anfang oder Mitte 40. Der Anteil von Männern und Frauen ist ausgeglichen. Kamen 2010 und 2011 70 bis 80 Prozent aus der Arbeitslosigkeit heraus, war es 2012 nur noch ein Viertel. Diese Entwicklung hängt damit zusammen, dass ab dem 28. Dezember 2011 die Voraussetzungen für die Erlangung des Gründungszuschusses durch die Agentur für Arbeit erschwert und aus der Pflichtleistung eine Ermessensleistung wurde. 2013 kamen fast alle aus festen Arbeitsverhältnissen.

Wie hoch ist der Migrantenanteil?

Schuren Sehr hoch. Verzeichnete das Institut für Mittelstandsforschung im Jahr 2012 einen Rückgang bei den Existenzgründungen bei deutschen Gründern um 20,8 Prozent, war es bei den Migranten nur ein Rückgang um 0,6 Prozent. Das spiegelt sich auch hier in Neuss wider. Von den Branchen her gibt es kaum einen Unterschied.

Wie viele, die Sie beraten, gründen danach auch ein Unternehmen?

Schuren Wir bekommen dazu kaum Rückmeldungen. 2011 haben wir selbst mal nachgefragt. Da hatten zwei Drittel das Vorhaben realisiert.

Was ist das Wichtigste, das es zu beachten gilt, wenn man sich selbstständig machen möchte?

Schuren Dass man ein Konzept hat, das zu einem passt und hinter dem man selbst und auch die Familie steht. Und man muss ein Unternehmertyp sein, sich also durchsetzen, aber auch Rückschläge hinnehmen können. Außerdem muss die Finanzierung stehen. Wir geben eine Anleitung, wie ein sogenannter Business Plan zu erstellen ist.

Fällt Ihnen ein positives Beispiel für eine Gründung in Neuss ein?

Schuren Ja, Marcel Planitzer, der das Café "Koffi" eröffnet hat und jetzt schon eine zweite Filiale besitzt.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer?

Schuren Gut. Wir bieten gemeinsam mit den Wirtschaftsjunioren regelmäßig Informationsabende für Existenzgründer an.

Was bedeuten neue Firmengründungen für Neuss?

Schuren Sie schaffen Arbeitsplätze und dienen der Fachkräftesicherung. Langfristig bringen sie der Stadt auch Gewerbesteuereinnahmen, allerdings nicht in den Anfangsjahren.

SUSANNE GENATH FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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