Neuss Aus Freude am Singen
Neuss · 23 Schüler aus der Neusser Partnerstadt St. Paul in Minnesota/USA zeigen auf einer kleinen Tournee durch die Kirchen und Konzertsäle der Stadt, was sie in ihrer House of Hope Choir School erarbeitet haben.
Neuss Starr hat sich angesteckt. Ein schwarz-rot-goldener Gürtel hält ihre Hose auf der Hüfte; ein Tuch in den Deutschland-Farben hängt aus der Hosentasche.
Dabei ist die 16-Jährige Amerikanerin und eigentlich zum Singen nach Neuss gekommen. Aber vor dem Fußball-Fieber ist in EM-Zeiten eben niemand sicher.
Starr Brainerd ist eine von 23 Schülern, die in ihrer Heimatstadt St. Paul die House of Hope Choir School der Presbyterian Church besuchen und zusammen mit erwachsenen Betreuern und der Schulleiterin Sofia Ardalan elf Tage in der Quirinusstadt verbringen.
Nicht nur zum freizeitlichen Vergnügen, denn für die acht- bis 18-Jährigen Jungen und Mädchen gilt es, in zahlreichen Konzerten und Auftritten zu zeigen, was das Besondere ihrer musikalischen Erziehung ist. Die Bandbreite ihres Repertoires reicht dabei von Bach-Werken bis zu amerikanischen Folksongs.
Je nach Anlass singen sie das eine oder andere - und sind auch entsprechend gekleidet. Für Kirchen und Konzerte gibt es den "Concert Dress", der an hiesige Ministrantengewänder erinnert; bei eher lockeren Auftritten wie dem am Freitag Abend bei der Klassiknacht sind es blaue Shirts und schwarze Hosen.
"Das ist so wunderbar einfach", sagt Linda Michel, "keine Diskussionen, kein Neid ..." Die 39-Jährige managt die Reise des Chors, lotst die Kinder durch das umfangreiche Programm, das neben Konzerten und Gottesdienstauftritten natürlich auch etliche Besichtigungstouren beinhaltet. Zum Beispiel eine zum Kölner Dom.
Aber auch dort konnten sie das Singen nicht lassen, dürften mit ihrem "natürlich genehmigten Kurzauftritt, wie Linda Michel betont, die Touristen erfreut haben.
Seit 23 Jahren gibt es die Choir School; viele der Betreuer waren in jungen Jahren aktiv dabei und auch die jetzige Leiterin ist ein "House of Hope"-Gewächs. Seit drei Jahren führt Sofia Ardalan die Schule, die sangesfreudigen Kindern und Jugendlichen aus St. Paul unabhängig von ihrer Religion offen steht.
Rund 60 Schüler hat sie derzeit: "Mehr können es auch nicht werden", sagt sie lachend, denn dafür fehlten dann doch die Lehrkräfte. Drei Gesangspädagogen lehren in der Nachmittagsschule. Neben dem Gesangsunterricht steht auch Musiktheorie auf dem Lehrplan.
Dabei geht es keineswegs darum, begabten Kindern den Weg zur Professionalität zu ebnen: "Es gibt keine Aufnahmeprüfung; entscheidend ist nur die Freude am Singen", stellt die Direktorin klar.
Schon Vierjährige werden aufgenommen und können bis zu ihrem 18. Lebensjahr dabei und Mitglied in einem der Chöre bleiben. Mit 150 Dollar pro Jahr (etwa 100 Euro) ist der Kostenbeitrag erschwinglich - "und wenn nicht, finden wir immer einen Weg" sagt Sofia Ardalan.
"Die Choir School ist schon etwas Besonderes", sagt Linda Michel, "auch in Amerika und in unserer ganzen Region berühmt für ihre gute musikpädagogische Arbeit".
Jeden Sonntag treten Schüler in der House of Hope Church auf, aber auch Verpflichtungen in den Nachbarstädten gehören zum Programm. Nicht zum ersten Mal ist der Chor übrigens in Europa zu Gast: "Wir waren schon in England und Dänemark auf Tournee", erzählt die Schulleiterin.
Und als sie vor einigen Monaten gegenüber Linda Michel den Wunsch äußerte, eine Europatour zu machen und um ihre Hilfe bat, organisierte diese die Reise nach Neuss.
Passenderweise zu den Kirchenmusikwochen, denn zu einem ihrer Organisatoren, Münsterkantor Joachim Neugart, hat Linda Michel die besten Kontakte, seit dieser mit seinem Neusser Kammerorchester auf einer Tournee in St. Paul und Umgebung gewesen ist .
