Nettetal Jugend-Jury verleiht Buchpreis

Nettetal · 13 Bücher, zehn Jungen und Mädchen und eine Menge Leselust: Seit 1992 entscheiden Jugendliche darüber, welches Jugendbuch das "Eselsohr" der Stadtbücherei Nettetal wird. Ein Blick in die Sitzung dieser außergewöhnlichen Jury.

Manchmal faszinieren die Dinge, die so gar nicht zusammenpassen wollen. Es ist die Geschichte von Jordan, der von seinem Vater missbraucht wird, dessen Schwester Selbstmord begeht und der hochgradig traumatisiert ist. "Total toll", sagt Stephanie Rennen dazu. Der 16-Jährigen ist ihre Begeisterung anzumerken für eine Geschichte, die eigentlich nur bedrückend sein müsste. "An vielen Stellen musste ich lachen, auch, wenn es so ernst ist", erklärt Stephanie. So sehen das auch viele der weiteren neun Jugendlichen, mit denen sie in der Stadtbücherei sitzt.

Dreimal die Maximalpunktzahl

Drei Mal zehn Punkte – das Maximum auf der Skala von eins bis zehn – geben die 13- bis 16-Jährigen dem Buch "Memory Error oder Wie mein Vater über den Jordan ging". Die Jugendlichen sind die Jury, die das "Eselsohr" vergibt, seit 1992 der Jugendbuchpreis der städtischen Bücherei. 13 Titel hat Birgit Mager, stellvertretende Leiterin und zuständig für die Jugendbücher, ausgesucht. Die zehn Jugendlichen haben die Werke seit Mai gelesen. "Es soll schon für jeden etwas dabei sein", erklärt Mager. Immer ist ein historischer Roman dabei, Fantasy, manchmal ein Krimi. Oft greifen die Bücher aktuelle Probleme auf: Dieses Mal etwa Teenie-Schwangerschaft oder eben die Geschichte vom missbrauchten Jungen.

Die junge Jury ist sehr anspruchsvoll. "Ich nehme auch immer eine nette Liebesgeschichte dazu. Aber das haben sie mir um die Ohren gehauen", sagt Mager schmunzelnd. Tatsächlich machen die Jugendlichen keinen Hehl aus ihrer teils sehr kritischen Meinung. "Langweilig", "Ich musste nach fünf Seiten aufhören zu lesen", "Total der Krampf", urteilen sie etwa über "Nathan und seine Kinder". Da fragt Mager die Bewertungen gar nicht mehr ab. Eher kein Anwärter auf das Eselsohr 2009. Letztlich gibt einen Patt zwischen "Memory Error" und dem historischen Roman "Scatterheart" über ein Mädchen, das 1824 nach Australien verbannt wird. Bei Stephanie und ihrem Bruder Alexander (14) kam die Geschichte auch gut an. Sie gaben beide je zehn Punkte, sähen dennoch lieber "Memory Error" als Eselsohr. Nach kurzer Diskussion gibt Mager auf: "Dann haben wir in diesmal wieder den schwierigen Part, zwei Bücher zu bewerben", sagt sie. Zwei Stunden haben die Jugendlichen diskutiert und von ihren Eindrücken erzählt, als Dankeschön gibt es – natürlich – ein Buch.

"Uns ist wichtig, dass das nicht von Schule oder Eltern forciert wird", sagt Mager. Tatsächlich sind alle Jugendlichen freiwillig dabei. Die 16-Jährigen sind im nächsten Jahr zu alt für eine Neuauflage – und darüber sichtlich enttäuscht. "Aber wir haben auch so schon eine Warteliste", sagt Mager.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort