Mönchengladbach So wurde ein Turner zum Fitness-Guru

Mönchengladbach · In einer neuen Biografie porträtiert Eva Rincke Joseph Pilates - und zeigt, wie das Trainingsprogramm eines Gladbachers zum Kult wurde.

Katherine Hepburn trainierte bei ihm, Vivien Leigh und Sir Laurence Olivier auch. Heute schwören Hollywoodstars auf Übungen, die seinen Namen tragen, erklären Frauen- und Gesundheitszeitschriften sein Programm und wimmelt es im Internet von Demonstrationsvideos. Joseph Pilates war ein Mann, der sein Leben der Entwicklung eines Körpertrainings zur Kräftigung der Muskulatur widmete und dessen Name schließlich Programm wurde. Die Historikerin Eva Rincke zeichnet in einer neuen Biografie sein Leben nach.

Es beginnt in Mönchengladbach Ende des 19. Jahrhunderts. Geboren wird Joseph Pilates am 9. Dezember 1883 in Gladbach, damals zum Königreich Preußen gehörig. Rincke verlegt die Stadt allerdings leider kurzerhand an die belgische Grenze. Joseph, zweites Kind von Friedrich und Helena Pilates, verbringt sein erstes Lebensjahr an der Waldhausener Straße 20. Der Nachname klingt exotisch, ist aber in der Region verbreitet und leitet sich von einem Gehöft, dem Pilates-Gut, ab. Joseph ist schmächtig und wird von seinem Vater, einem begeisterten Turner, mit in den Turnverein Eintracht genommen. Er entwickelt eine große Liebe zum Turnen und zur Bewegung. Auch das Boxen, damals noch kritisch vom Staat beäugt und genehmigungspflichtig, bringt der Vater Joseph und dessen Bruder bei. Obwohl das damals niemand ahnt, sind damit zwei wichtige Grundlagen gelegt, die Pilates' Zukunft bestimmen sollen: die Liebe zur Bewegung und zum Boxen.

Sein weiteres Leben verläuft nicht gradlinig: Er erlernt den Beruf des Brauers, beschäftigt sich aber nebenbei mit Turn- und Gymnastikübungen, von denen er meint, dass sie gegen körperliche Verschleißerscheinungen und Beschwerden helfen. Erste positive Erfahrungen sammelt er bei der Mutter, die unter Knieschmerzen leidet. Er geht nach England, wo er in die Wirren des Ersten Weltkriegs gerät und als Deutscher interniert wird. Im Lager beginnt er, um der Langeweile Herr zu werden, Aktivitäten wie das Boxen und Boxgymnastik zu organisieren. Nach Kriegsende kehrt er nach Deutschland zurück, eröffnet eine Boxschule und beginnt, Polizisten in Selbstverteidigung auszubilden. Parallel tüftelt er an Fitnessgeräten: Er meldet einen Fußkorrektor und ein Körperübungsgerät zum Patent an. Die Geräte bauen mittels Federn Widerstand auf und helfen dadurch, die Übung korrekt auszuführen und die Muskulatur zu stärken.

1925 geht Pilates in die USA. Seine Übungsmethoden hatte er da schon zu großen Teilen ausgearbeitet und an Reha-Patienten erprobt. Er verbindet die Turnübungen seiner Kindheit mit den Erfahrungen des Boxens und der Körperkontrolle, Elementen des Yoga und des Jiu Jitsu. In New York eröffnet er ein Studio, in dem er sein "Körperübungsgerät" aufstellt, für das sich schon bald der Name Reformer einbürgert. Zuerst kommen Menschen mit Verletzungen oder chronischen Schmerzen, dann Tänzerinnen vom nahegelegenen Broadway. Pilates zeigt ihnen Dehn- und Muskelaufbauübungen. "Der effiziente Muskelaufbau durch die Pilates-Übungen half den Tänzerinnen, nach Verletzungen schnell wieder zurückzukehren und so ihr Engagement zu behalten", schreibt die Biografin.

Später kommen Boxer dazu, dann Schauspieler und Sänger des Broadway. Pilates bringt es zu einiger Berühmtheit und fängt an, Legenden um sich herum zu spinnen. So behauptet er, griechischer Abstammung zu sein, oder macht sich vier Jahre älter, um sein jugendliches Aussehen mehr zu betonen. Als er 1967 stirbt, hat er seinen Lebenstraum, die Pilates-Methode allgemein bekannt zu machen, noch nicht erreicht. Aber seine Ideen geraten auch nicht in Vergessenheit, erleben in den 90ern eine Renaissance und werden zum Pilates-Fieber, als sich Pop-Star Madonna als Anhängerin outet. Das Trainingsprogramm des Gladbacher Jungen hat endgültig Kultstatus erlangt.

Eva Rincke, Joseph Pilates - Der Mann, dessen Name Programm wurde,, Herder-Verlag, 22,99 Euro.

(RP)
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