Duisburg Von 124 Metzgereien sind noch 23 übrig

Duisburg · Das Wild-, Geflügel- und Feinkostgeschäft De Haan an der Kuhstraße wird am Samstag schließen. Das ist ein weiterer Beleg für den Niedergang kleiner Fleischerfachbetriebe in Duisburg.

 Clemens John mit seiner "Wildsau", die viele Jahre vor dem Geschäft an der Kuhstraße stand und so etwas wie ein Maskottchen war.

Clemens John mit seiner "Wildsau", die viele Jahre vor dem Geschäft an der Kuhstraße stand und so etwas wie ein Maskottchen war.

Foto: Christoph Reichwein

Dass die Schließung von De Haan ist bei weitem kein Einzelfall ist, weiß Hans-Jörg Nolte zu berichten. "Als ich mein Amt vor etwa 30 Jahren übernommen habe, gab es 124 Fleischereibetriebe in Duisburg. Heute sind noch 23 übrig", so der Obermeister der Fleischerinnung Duisburg. Diese Entwicklung sei sowohl für das Handwerk als auch für die Kunden "sehr traurig". Als Hauptauslöser für den drastischen Rückgang macht Nolte die große Konkurrenz durch die Discounter und Lebensmitteleinzelhandelsketten verantwortlich. "Die verramschen ihr Fleisch", sagt er. Mit den Angebotspreisen könnten die Metzgerbetriebe einfach nicht mithalten.

"Qualität und handwerkliche Fertigung haben ihren Preis", so Nolte. Dennoch sei es oftmals auf einen längeren Zeitraum gesehen nicht zwingend teurer, seine Fleischeinkäufe bei einem handwerklichen Betrieb zu tätigen. "Wenn 100 Gramm Leberwurst im Angebot 69 Cent kosten, liegt der Normalpreis oft bei 1,29 Euro. Bei einem meiner Kollegen kostet die Wurst im Schnitt 99 Cent. Aber die Leute sehen eben immer nur die Angebotspreise und fragen sich, 'Wo ist es gerade am billigsten?'", beklagt Nolte und bringt den Unterschied auf den Punkt. "Die Produkte meiner Kollegen sind nicht billig, sondern preiswert. Sie sind einfach ihren Preis wert."

Ein weiteres großes Problem für die Metzgereien sei vielfach die Nachfolgefrage. So hätten die meisten Betriebe in diesem Bereich in den vergangenen 15 Jahren schließen müssen, da kein geeigneter Nachfolger gefunden werden konnte. "Die Nahversorgung ist nicht mehr da. Die Leute müssen weite Wege machen. Wer entsprechende Qualität will, mutet sich das noch zu", so Nolte.

Nach 106 Jahren wird das traditionsreiche Wild- und Feinkostgeschäft De Haan an der Kuhstraße am Wochenende schließen. Inhaber Clemens John, der die Metzgerei vor 25 Jahren von seinen Eltern übernahm, machten veränderte Kaufgewohnheiten, Konkurrenz durch Discounter und die Verhältnisse in der Innenstadt zunehmend zu schaffen. Ein wichtiger Indikator für das nachlassende Geschäft seien die kleiner gewordenen Haushalte. "Man kocht heute eher selten und zum Spaß mit guten Produkten. Früher wurde hingegen groß eingekauft für das ganze Wochenende", so John. Um der steigenden Nachfrage nach Fertigprodukten Rechnung zu tragen, passte De Haan die Produkte an, setzte auch auf Eintöpfe und Tagesgerichte.

Obwohl dieser Schritt den Verkauf belebte, habe die "dramatische Entwicklung der Innenstadt in den vergangenen fünf Jahren", so Clemens John, zu immer widrigeren Umständen für die Existenz des Geschäfts geführt. So kämen viele Besucher nur noch in die Stadt, um sich in den Fachgeschäften Waren anzusehen, die sie dann später zu Hause über das Internet kauften. "Dadurch werden die Mitarbeiter in den Geschäften immer weniger - und von denen haben wir auch gelebt", so John. Die Verschiebung der kostenfreien Parkzeit durch die Stadt von 17 auf 20 Uhr sei ebenfalls folgenschwer gewesen: "Damit fehlen uns die Feierabendkunden." Die Verkehrsanbindung sei außerdem durch den Neubau der Königsgalerie und die damit verbundene Teilung der Untermauerstraße erschwert worden.

"Hinzu kommen die defekten Brunnen und die Obdachlosen, die sich jeden Tag die Köpfe einschlagen", so John mit Blick auf das direkte Umfeld. Seine Prognose für die weitere Entwicklung der Innenstadt fällt düster aus: "Ich prognostiziere, dass es hier in fünf Jahren keine Fachgeschäfte mehr geben wird", sagt John, der sein Geschäft am Samstag um 15 Uhr endgültig schließen wird. "Es ist schwierig und sehr schmerzlich", so John, der sich künftig nur noch dem Großhandel widmen wird und Kunden auf Wochenmärkten sowie kleinere Metzgereien beliefert.

Was mit der charakteristischen "Wildsau", dem Maskottchen von De Haan, passieren soll, weiß Clemens John noch nicht genau. "Wer daran Interesse hat, kann sich melden", sagt er.

(RP)
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