Düsseldorf Unfallberichte schocken junge Autofahrer

Düsseldorf · Crash-Kurs heißt das Programm, mit dem die Polizei landesweit durch die Schulen tourt. Statt auf Unfallvideos setzt man in Düsseldorf auf die Erlebnis-Berichte von Ersthelfern und gescheiterten Lebensrettern.

Spektakuläre Feuerwehreinsätze in Düsseldorf - eine Übersicht
32 Bilder

Spektakuläre Feuerwehreinsätze in Düsseldorf

32 Bilder
Foto: Robert Cramer

Am Ende platzt der Ballon voll mit aufgeschriebenen Wünschen, Träumen und Zielen der Suitbertus-Schüler. Ganz beiläufig hat Marilyn Rudolf das verursacht, und die Polizistin hat mit diesem Knall zwei Botschaften überbracht: Unfälle passieren nicht. Sie sind die Folge falscher Entscheidungen. Und: Sie zerstören in Sekunden alles, was einem Menschen wichtig ist.

Crash-Kurs NRW ist eine Kampagne, mit der die Polizei landesweit die Zahl der Unfälle reduzieren will, an denen junge Fahrer beteiligt sind. Während anderswo am selben Ziel mit so genannten Schock-Videos gearbeitet wird, setzt die Düsseldorfer Polizei auf die bedrückenden Schilderungen derer, die einen schweren Unfall hautnah miterlebt haben. Das verfehlte auch gestern in der Aula der Grundschule an der Fliednerstraße seine Wirkung nicht, in der die Oberstufe des Suitbertus-Gymnasiums mit den Folgen jugendlichen Draufgängertums konfrontiert wurde.

Theresa ist 26 Jahre alt und Polizistin im Süden. Unfälle hatte sie schon eine ganze Menge aufgenommen, als sie vor 13 Monaten mit ihrem Kollegen zu einem Unfallort gerufen wurde. Sie fährt selbst täglich von Köln zur Arbeit, weiß, dass man auch mal unkonzentriert ist. Aber auf der gut ausgebauten Frankfurter Straße, da hat sie sich gefragt, was da schon Schlimmes passiert sein soll. Sie erzählt, wie es plötzlich hektisch geworden sei im Funk. "Viele Augenzeugen hatten offenbar den Notruf gewählt und deren Panik schien sich durch den Funk zu uns zu übertragen."

Dann kam die erste konkrete Information: Eine Leitplanke hat sich durch einen Pkw gebohrt, der Fahrer ist noch drin. Am Unfallort machte Theresa ihre Arbeit, befragte Zeugen, wunderte sich noch ein bisschen über die Frau, die nicht aus ihrem Wagen aussteigen wollte, aus Angst, einen Toten zu sehen. "Irgendwie war jedem, der dieses Auto sah, klar, dass diesen Unfall niemand überleben konnte. Jedem außer mir."

Die junge Polizistin muss schlucken, als das Foto von dem Autowrack und der abgedeckten Leiche auf der Leinwand erscheint. Sie erinnert sich daran, wie sie in den Wagen geschaut hat, dessen Fahrer nicht angeschnallt erst nach vorn, dann zurückgeschleudert worden war — "mit solcher Wucht, dass die Lehne seines Sitzes zerbrach."

André hieß der 22-Jährige, der erst in der Gerichtsmedizin identifiziert werden konnte. "Sein Gesicht war völlig zerstört", sagt Theresa. Später hat sie von Andrés Freundin gehört. Die hatte mit André telefoniert, dann war die Verbindung plötzlich abgebrochen. Als sie es wieder versuchte, "da war André vielleicht schon tot", sagt Theresa zu den Schülern, von denen kein Ton zu hören ist. Und sie erzählt von Paul, der 19 ist, und neben dem telefonierenden André an der Ampel stand. Dann sind sie gleichzeitig aufs Gas getreten, hat Paul später gesagt, und dass er in den Rückspiegel geschaut hat. "Da war André nicht mehr da." Theresas Bitte an die Schüler: "Sorgt dafür, dass ich euch nicht eines Tages in einem Auto liegen sehe und euer Gesicht nicht mehr erkennen kann."

Die jungen Leute, die den Saal nach einer Stunde ein bisschen blass verlassen, sind dazu fest entschlossen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort