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Dinslaken Misstrauen gegen Mindestlohn

Dinslaken · Der Bundestag hat einen Mindestlohn für die Alten- und Krankenpflege beschlossen, auch um Schwarzarbeit dadurch einzudämmen. Die Pflegedienste fürchten, dass sie bei einem zu hohen Stundenlohn ihr Personal nicht mehr bezahlen können.

 Pfleger sollen durch Mindestlohn abgesichert werden.

Pfleger sollen durch Mindestlohn abgesichert werden.

Foto: AP, AP

Der Pflegedienst "Helfende Hände" in Voerde beschäftigt zwölf Mitarbeiter. Die ärgste Konkurrenz sind nicht andere ambulante Dienste, sondern die wachsende Anzahl Schwarzarbeiter, die in den Pflegebereich drängen. "Die nehmen uns wirklich Arbeitsplätze weg", klagt Alexa Ciesinski, Chefin der "Helfenden Hände".

Die Entscheidung der Bundesregierung, auch in der Alten- und Krankenpflege einen Mindestlohn einzuführen, begrüßt sie deshalb als Mittel gegen die Schwarzarbeit. Doch diese Zuversicht ist nur die eine Seite der Medaille. Denn wenn der Mindestlohn zu hoch ausfallen sollte — genaue Summen stehen noch nicht fest —, "dann wird es eng für unseren Betrieb", stellt Alexa Ciesinski warnend fest.

Der Bundestag hat soeben fünf neue Branchen unter den Schutz des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes gestellt. Mindestlöhne gehen damit einher. Diese Branchen sind: Alten- und Krankenpflege, industrielle Großwäschereien, Wach- und Sicherheitsgewerbe, Abfallwirtschaft, Bergbauspezialdienste.

An einem Mindestlohn haben auch die Wohlfahrtsverbände großes Interesse. Sie entlohnen ihre Pflegekräfte nach Tarif und sehen sich einer privaten Konkurrenz gegenüber, die häufig gravierend billiger arbeitet. Von "Lohndumping" spricht der Berufsverband für Pflegeberufe und befürwortet daher den Mindestlohn. Der Verband hofft, auf diese Weise zugleich die Schwarzarbeit einzudämmen.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ist guten Mutes, dass das Gesetz im Bundesrat bestehen wird. Und er verteidigt die neuen Mindestlöhne gegen Kritiker: "Wenn jetzt vielleicht in paar Hunderttausend Menschen besser bezahlt werden, als das bisher der Fall ist, dann ist das eine gute Sache." Zu den Kritikern zählt der Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen und Bildung in Duisburg. Geschäftsführerin Elisabeth Schulte argumentiert: Erst zwinge der Staat die Pflegebranche mit zu niedrigen Pflegesätzen in die Knie und verursache dadurch Niedriglöhne. Und nun prangere derselbe Staat die niedrigen Löhne an und bringe die Pflegedienste mit einem Mindestlohn in Existenznot.

"Versagen der Politik"

Schulte befürchtet: "Wenn der Mindestlohn niedrig ist, werden die Pflegekassen die Refinanzierung noch stärker drücken. Ist er hoch, wird dass zu noch mehr Schwarzarbeit oder Arbeitslosigkeit führen." Der Mindestlohn in der Pflegebranche ist Schultes Ansicht nach einzig und allein ein Zeichen für das Versagen der Politiker.

Bundestagsabgeordneter Wolfgang Grotthaus (SPD) vermutet, dass sich der Mindestlohn in der privaten Pflegebranche an den tariflichen Sätzen der Wohlfahrtsverbände orientieren wird. Bei der Awo beträgt der niedrigste Stundenlohn für Ungelernte laut Grotthaus 9,57 Euro pro Stunde. Besser ausgebildete Pflegehelfer bekämen zwischen zehn und 10,81 Euro. Bei der Caritas liege der Stundenlohn zwischen neun und 9,30 Euro.

Susanne Kornjewski, Chefin von "Tessi's Ambulantem Pflegedienst" in Dinslaken, hält eine angemessene Bezahlung in ihrer Branche für wichtig: "Unsere Mitarbeiter tun und machen, dafür sollen sie auch entsprechend entlohnt werden." Fällt der Mindestlohn jedoch hoch aus, "wäre das eine Belastung. Dann müssten wir verstärkt in die Werbung gehen." Denn ihren Mitarbeiterstamm zu reduzieren, kommt für sie nicht in Frage.

Auch Andrea Lenz hofft für ihre sieben Mitarbeiter auf einen nicht zu hohen Mindestlohn. "Sonst bekämen wir Probleme", betont die Inhaberin des Dienstes "Gesundheitspflege Zuhause" in Dinslaken. Und sie gibt zu bedenken: "Der Mindestlohn wird es uns nicht erleichtern, gutes Personal zu finden." Diese Schwierigkeit rühre vielmehr von den anstrengenden Arbeitszeiten und dem schlechten Ansehen der Branche in der Bevölkerung her.

(RP)
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