Düsseldorf Radsportler – die Gefahr fährt mit

Düsseldorf · Alle 37 Minuten verunglückt in Deutschland ein Radfahrer. Vor allem im Frühjahr, wenn die Sonne auch ungeübte Radler auf die Piste lockt, steigt die Unfallgefahr. Viele sportliche Fahrer halten sich zudem nicht an die Verkehrsregeln.

Nur für einen Augenblick war Michael Brenner unaufmerksam, doch dieser Moment kostete den Produzenten vieler großer Musicals das Leben. Am Ortsausgang von Erpolzheim (Pfalz) wollte der 59-Jährige mit seinem Mountainbike der Edel-Marke "s-works" nach links abbiegen, wo sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Einmündung zu einem Radweg befand. Dabei vergaß er nach Polizeiangaben, ein Handzeichen zu geben. Ein von hinten kommender Motorradfahrer konnte nicht mehr ausweichen und erfasste ihn mit seiner Maschine. Brenner starb noch in der Nacht im Krankenhaus. Die Sozia des Motorradfahrers wurde schwer verletzt. Die Ehefrau Brenners, die gemeinsam mit ihrem Mann auf dem Rückweg von einer Radtour war, blieb unverletzt.

Für die Polizei in Bad Dürkheim ist der Fall relativ klar, obwohl bei dem Motorradfahrer ein Blutalkoholgehalt von 0,9 Promille gemessen wurde. "Die Hauptursache für den Unfall dürfte der Radfahrer gewesen sein", sagt ein Beamter.

Ein derartiger Unfallhergang ist für Josef Wißen von der Kreispolizei Wesel nicht ungewöhnlich: "Das Nichtsetzen von Richtungszeichen ist eine der Hauptursachen für Unfälle mit Radfahrern, da der Radler für andere Verkehrsteilnehmer leicht zu übersehen ist."

Alle 37 Minuten verunglückt in Deutschland ein Radfahrer. Zwar sind die Unfallzahlen sowohl am Niederrhein als auch bundesweit rückläufig, doch haben die Sonnentage im April und Mai vor allem die sportlichen Ausflugsfahrer früher als sonst dazu verlockt, ihre Gefährte aus dem Winterquartier zu holen. Das Zweirad ersetzt im Frühjahr Laufband und Ergometer. Vielen dieser Hobby-Sportler fehlen die nötige Erfahrung und Sicherheit, um sich selbst und andere zu schützen, meint Günther Montberg, Vorsitzender der Radsport Aliens Düsseldorf: "In den Abendstunden tummeln sich jetzt die Berufstätigen auf den Straßen, die meist alleine fahren und ihr Revier vielleicht gar nicht kennen", sagt er.

Viele sind auf Zweirädern unterwegs, die nicht für den Straßenverkehr zugelassen sind, weil zum Beispiel Reflektoren oder Beleuchtung fehlen. Laut Straßenverkehrsordnung dürfen diese Mountainbikes und Rennräder auf öffentlichen Straßen nicht rollen, es sei denn, sie werden in einer Gruppe von mindestens 15 Teilnehmern benutzt.

Wie zum Beispiel am Donnerstag: Dann werden rund 600 ambitionierte Hobby-Rennradfahrer beim Tourenrennen "Rund um Issum" an den Start gehen. Fünf Strecken hat die RSG Issum ausgearbeitet, die längste führt in einer Schleife über 151 Kilometer von Issum über Alpen, Xanten und Kevelaer zurück zum Start. Die ausgearbeiteten Strecken seien, sagt Vorstand Willi Kirschen, so gewählt worden, dass fast überall breite Radwege die Sicherheit garantieren. Zudem appelliert Kirschen an die Disziplin: "Falscher Ehrgeiz hat im Breitensport nichts zu suchen. Wer beispielsweise eine Bahnschranke umkurvt, um seinen Schnitt zu halten, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen."

Tatsächlich sind aber selbst die breiten Radwege am linken Niederrhein nicht dafür ausgelegt, ein diszipliniertes, 600 Mann starkes Teilnehmerfeld aufzunehmen. Und auch abseits solcher Veranstaltungen nutzen insbesondere Rennradfahrer häufig die normale Fahrbahn, um mit den nur wenige Zentimeter breiten Reifen auf einem ebenen Untergrund zu fahren.

So kommen sich etwa auf der B8 zwischen Düsseldorf und Mettmann regelmäßig Autofahrer und Radfahrer in die Quere. Die beliebte Ausrede, der Radweg sei für ein Rennrad in zu schlechtem Zustand, lässt die Polizei nicht gelten: "Wenn ein blaues Schild vorschreibt, den Radweg zu benutzen, dann gilt das für alle Radler", sagt Wißen. "Notfalls kann man eben auch mit dem Rennrad nur Tempo zehn fahren."

Motorisierten Verkehrsteilnehmern fehlt meist das Verständnis, wenn Radler zu zweit nebeneinander fahren. Auch das dürfen eigentlich nur Pulk-Fahrer ab 15 Teilnehmern. Trotzdem setzen sich viele Radler darüber hinweg. Oft genug drückt die Polizei beide Augen zu. "Wir haben ja auch noch andere Aufgaben", sagt Polizist Wißen.

Günther Montberg vom Verein "Radsport Aliens" rät unorganisierten Hobby-Fahrern, sich an den nächsten Rennrad-Verein zu wenden. "Von den Erfahrungen der anderen Sportler kann man profitieren. Unsere Touren führen meist über wenig befahrene Straßen mit breiten, gut ausgebauten Radwegen. So lassen sich viele gefährliche Situationen vermeiden."

Reiner Kuhnen, Vorstandsmitglied des RSC Moers, sieht aber nicht nur die Radsportler in der Pflicht. "Ich fahre seit zehn Jahren jedes Frühjahr auf Mallorca. Dort sind die Straßen häufig nicht gut einsehbar und sehr eng. Doch das Miteinander von rücksichtsvollen Rad- und Autofahrern funktioniert. Davon sind wir in NRW leider noch ein ganzes Stück entfernt."

(RP)
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