Sprechstunde Trost für Schwangere

Die Erwartung eines Babys stellt viele werdende Mütter vor psychische Anforderungen. Doch Sorgen vor der Zukunft sind oft unbegründet.

Unsere Leserin Jenny D. (31) aus Möncbengladbach sorgt sich: "In vier Wochen erwarte ich mein Baby. Ich habe Angst vor dem, was auf mich zukommt. Wie soll das nur alles gehen?"

Mechthild Schulze-Hagen "Wir schaffen das." Der berühmt-beruhigende Kanzlerinnensatz ist vielleicht frauentypischer, als die meisten von uns vermuten. Mütter sind nicht die Heimchen hinterm Herd, denen keiner zutraut, ihr Auto richtig einzuparken. Schwangerschaft und Geburt aktivieren ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten im mütterlichen Organismus. Verhaltensforscher haben in Experimenten an Tier und Mensch zeigen können, welche Veränderungen auftreten: Mütter sind wacher, wagemutiger, furchtloser und stressresistenter. Sie schaffen mehr als vorher. Sie ertragen Schlafmangel besser. Ihr Gedächtnis, ihre Sehfähigkeit und ihr Orientierungsvermögen werden leistungsfähiger. Ein regelrechtes Hirndoping, das alle Reaktionen "ökonomischer" macht. Evolutionsbiologisch ist diese Anpassung sinnvoll. Fahrigkeit, Nachlässigkeit und schnelle Erschöpfung würden in freier Natur von Nachteil sein und die Zahl der Nachkommen reduzieren. Die sprichwörtliche Löwenmutter muss in der Lage sein, ihre Kinder zu verteidigen. Die Konzentration aufs Wesentliche gehört auch beim Mensch zum Überlebensprogramm.

Inzwischen ist erwiesen, dass Schwangerschaft das Wachstum von Nervengewebe stimuliert. Signal- und Botenstoffe werden als Aktivatoren vom Ungeborenen zur Mutter gesandt. Mehr noch, Stammzellen des Feten überwinden die Plazenta-Schranke und wandern in das Gehirn der Mutter, wo sie sich zu allen Arten von Hirnzellen umwandeln. Erstaunlicherweise siedeln sich diese Nachwuchszellen genau in den Regionen an, wo der mütterliche Organismus sie am meisten benötigt. Es gibt keinen Lebensabschnitt, der durch so enorme Veränderungen von Körper und Psyche gekennzeichnet ist, wie die Zeit vor und nach der Geburt.

Für viele schwangere Frauen, die darüber grübeln, was auf sie zukommt und ob sie ungewohnte Belastungen bewältigen können, ist dies ein Trost. Sie können auf zusätzliche Kräfte vertrauen. Für unsere Gesellschaft, die nicht selten die Babypause als Karriereknick betrachtet und die den nach der Kinderpause zurückkehrenden Müttern das Leben schwer macht, ist das kein Freibrief. Berufstätige Mütter werden nur zu oft von den Anforderungen in Beruf, Familie und Haushalt hin- und hergerissen. Schon aus wirtschaftlichen Gründen haben sie gar keine andere Wahl. Sie können nicht auf ihre Berufstätigkeit verzichten. Deshalb sind familiengerechte Arbeitszeiten und mehr Teilzeitstellen notwendig. Mütter garantieren unsere Zukunft.

(RP)
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