Wie können wir Mütter wirklich unterstützen? Hilfsbereitschaft provozieren!

Düsseldorf · Kinder können in Deutschland Familien immer noch in die Armut stürzen. Es fehlt an Krippenplätzen, Teilzeitjobs - und manchmal auch an der Einsicht der Väter.

"Soll ich, oder soll ich nicht? Will ich ein Kind, oder will ich Karriere machen?" Wie viele junge Frauen um die Dreißig hatte sich Kira Groos schon länger mit dieser Frage beschäftigt - und wie viele hatte sie die Frage mit "irgendwann werde ich ganz bestimmt Mutter" beantwortet und damit erleichtert in die ferne Zukunft verschoben.

Im Juli 2003 wurde Paul-Nicklas geboren. Ein "Unfall" - wie Kira (28) unumwunden zugibt. "Der Zeitpunkt für die Schwangerschaft hätte nicht ungünstiger sein können", sagt die Medizinerin. "Ich stand kurz vor dem Examen."

42 Prozent haben keine Kinder

Nachdem der erste "Schock" überwunden war, stürzte sie sich in die Organisation ihres "Baby-Projekts". "Das war eine der schwierigsten Aufgaben, die ich je zu lösen hatte", sagt Groos. Sie ist fest entschlossen, in ihrem Traumberuf weiterzukommen. Schon im Mutterschutz hat sie wieder begonnen zu lernen. "Jetzt fange ich in zwei Wochen als Ärztin im Praktikum im Krankenhaus an." Leider bekomme sie da kein Geld. Ihr Freund, der als Altenpfleger nur wenig verdiene, werde die Elternzeit nehmen. Drei Jahre lang habe er das Recht, bis zu 30 Stunden pro Woche in seinem Job zu arbeiten. "Es wird schwer, so über die Runden zu kommen."

Schlechte finanzielle Absicherung und die Sorge um die berufliche Zukunft: Da fällt die Entscheidung für ein Kind nicht leicht. Besonders Akademikerinnen werden immer seltener Mütter. Eine Studie ergab: 42 Prozent der 35- bis 40-jährigen Hochschulabsolventinnen hatten 2001 keine Kinder, zehn Jahre vorher waren es "nur" 31 Prozent. Eine bedenkliche Entwicklung. Was können wir tun, um Mütter zu unterstützen?

"Viele gesetzliche Lücken"

"Es gibt viele gesetzliche Lücken, die geschlossen werden müssen", fordert Peggi Liebisch (40) vom Verband alleinerziehender Mütter. "Es ist paradox, dass man zwei Jahre lang Erziehungsgeld bekommt, aber erst Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz hat, wenn das Kind drei ist." Liebisch fordert, dass Frauen schnellstmöglich wieder ins Arbeitsleben einsteigen. "Sie müssen in der Lage sein, für ihre Existenz zu sorgen." Dies sei nicht möglich, solange man nur ein Anrecht auf vier Stunden Hort-Betreuung täglich habe.

"Das geltende Steuerrecht fördert die klassische Rollenverteilung mit einem männlichen Hauptverdiener und einer weiblichen Nicht- oder Zweitverdienerin", sagt Soziologie-Professor Hans-Jürgen Andreß. "Wenn eine Frau ohne Berufserfahrung sich scheiden lässt und der Ex nicht zahlt, kann sie schnell in die Armut abrutschen."

Die Duisburger Frauenbeauftragte Doris Freer ist sich sicher: Erst wenn sich mehr Frauen in der Politik engagieren, würden solche Fragen angepackt. "Es muss ein gesellschaftliches Umdenken geben, das schon bei der Wortwahl anfängt. Berufstätige Frauen werden als Rabenmütter beschimpft. Unerhört. So bezeichnete man früher Kindsmörderinnen." Auch der Begriff "Doppelverdiener" sei ein Schimpfwort. "Es impliziert, dass 'Sie' aus Raffgier lieber arbeitet, als sich um die Kinder zu kümmern."

Wie quälend solche Vorwürfe sind, weiß Unternehmerin Anne Hermanski (47) aus eigener Erfahrung. "Mit meinem Sohn gab es Probleme im Kindergarten. Ich hatte automatisch ein schlechtes Gewissen." In solchen Situationen habe es ihr geholfen, sich mit Müttern in ähnlichen Situationen auszutauschen. "Es ist als Frau unheimlich wichtig, Netzwerke zu schaffen und sich so gegenseitig stark zu machen."

Mütter brauchen Zeit für sich

Wilhelma Skiba (47) vom Verband Berufstätiger Mütter in Köln fordert ein Umdenken der Väter: "Es ist zu beobachten, dass sich selbst bei modernen Paaren nach der Geburt die klassische Rollenverteilung einstellt." Sie bleibe zu Hause, er stürze sich in Arbeit und fühle sich nicht mehr fürs Abspülen und Putzen verantwortlich.

"Nur glückliche Mütter haben glückliche Kinder", sagt Gisela Goerdeler (58) vom Verband Deutscher Hausfrauen. "24 Stunden Küche und Kinder, das hält keine aus. Mütter brauchen auch Pausen." Wo es die traditionelle Großfamilie nicht mehr gebe, plädiert Goerdeler für eine neue Solidarität: "Man kann die Hilfsbereitschaft von Nachbarn und Freunden provozieren", sagt die Mutter dreier erwachsener Kinder. "Ich bin mir sicher, dass die Nachbarin gerne mal für ein paar Stunden einspringt, wenn man sie nur darum bittet."

(RP)
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