Darts-WM in London Känguru-Bob van Barneveld ist "noch nicht fertig"

London · Es war das bislang beste Match der laufenden Darts-WM in London, vielleicht sogar eines der besten Duelle aller Zeiten. Raymond van Barneveld und Michael van Gerwen lieferten sich am Dienstagabend im legendären Ally Pally zu London eine epische Schlacht. Am Ende sorgte "Barney" für eine Sensation und eliminierte den Weltranglistenersten. Den Sieg über seinen Landsmann hatte der Niederländer zuvor angekündigt.

 Raymond van Barneveld hat bei der Darts-WM gegen Michael van Gerwen für eine Sensation gesorgt.

Raymond van Barneveld hat bei der Darts-WM gegen Michael van Gerwen für eine Sensation gesorgt.

Foto: ap

Sein Alter von 48 Jahren merkte man van Barneveld nach dem entscheidenden Wurf in die Doppel-18 nicht wirklich an. Wie ein Jungspund hüpfte der fünffache Weltmeister über die Bühne, angefeuert von 3000 zumeist biergetränkten Kehlen, die immer wieder den Schlachtruf "Barney Army" anstimmten. "Normalerweise hüpfe ich nicht auf der Bühne herum, aber heute könnt ihr mich Känguru-Bob nennen", sagte van Barneveld nach seinem Meisterstück gegen van Gerwen. Selbst van Gerwen harrte nach der Niederlage auf der Bühne aus, um seinem Lehrmeister für die Leistung zu gratulieren. So verhält sich ein wahrer Champion.

Das Duell der beiden Weltmeister hielt, was es im Vorfeld versprochen hatte. Führungswechsel, hohe Scores, Spannung bis zum Schluss. Das Match war beste Werbung für den Darts-Sport. Sowohl van Barneveld als auch van Gerwen erzielten im Durchschnitt pro drei geworfenen Darts mehr als 100 Punkte. Van Gerwens Average (105,78) war der höchste, mit dem ein Spieler bei einer WM jemals ausschied. Diesen bitteren "Rekord" hatte zuvor Adrian Lewis gehalten, der im Viertelfinale der WM 2010 gegen Phil Taylor durchschnittlich 102,96 Punkte erzielte.

"Heute schlägt er dich nicht"

Dass van Barneveld und van Gerwen bereits im Achtelfinale aufeinander trafen, liegt an van Barnevelds schwachen Jahr 2015. "Barny" rutschte in der Weltrangliste auf Platz 16 ab. "Irgendwann ist in meinem Kopf aufgetaucht, dass ich gegen Michael schon im Achtelfinale spielen könnte", sagte van Barneveld. Doch das Duell gegen den überragenden Spieler des vergangenen Jahres machte dem Niederländer keine Angst, im Gegenteil: "Ich habe gemerkt, dass ich ihn dieses Jahr schlagen kann. Er hat mich zwar das ganze Jahr geschlagen, acht- oder neunmal. Aber jedes Mal war es richtig eng. Ich habe mir gesagt: Heute schlägt er dich nicht."

Doch das Match begann denkbar schlecht für van Barneveld, der den ersten Satz komplett verschlief. "Nach dem ersten Satz habe ich mich gefragt: Was machst du eigentlich hier auf der Bühne? Wenn das so weitergeht, schlägt er dich 4:0", gab van Barneveld zu. Doch dann legte er den Schalter um und nutzte die Fehler van Gerwens gnadenlos aus. "Er hat mir die ein oder andere Möglichkeit gegeben, und meine Finishes haben mir geholfen, das Match zu gewinnen", sagte van Barneveld.

Durch seinen Sieg hat der Holländer nun gute Möglichkeiten, eine Wildcard für die Premier League im kommenden Jahr zu erhalten. Nur die ersten vier Spieler der Weltrangliste sind für die Premier League gesetzt, die restlichen Spieler werden vom Verband PDC mit Wildcards berufen. "Ich habe mir viel Respekt zurückverdient. Und vielleicht verdiene ich mir ja auch eine Wildcard für die Premier League", sagte van Barneveld.

Der grandiose Sieg über den 22 Jahre jüngeren van Gerwen soll allerdings noch nicht das Ende gewesen sein. "Ich liebe die WM. Ich habe die Nummer eins geschlagen, aber das bedeutet noch gar nichts. Ich will dieses Turnier gewinnen. Raymond van Barneveld ist noch nicht fertig", sagte er am Ende seines Interview-Marathons.

Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Fans schon auf dem Weg nach Hause. Denn die U-Bahn fährt nicht die ganze Nacht zum Ally Pally, der ein bisschen außerhalb der Londoner Innenstadt liegt. Wer sie verpasst hat, wird das Taxi aber gerne bezahlt haben für die Show, die ihm zuvor geboten worden war.

Und van Gerwen? Dem waren alle gewonnenen Turniere des vergangenen Jahres plötzlich egal. "Ich wollte die WM gewinnen. Ich würde alle Titel gegen diesen eintauschen. Ich habe hier nicht gewonnen, und das tut weh", sagte er gegenüber Sky Sport, lobte aber gleichzeitig sein Gegenüber: "Raymond hat heute fantastisch gespielt."

(seeg)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort