Heiliges Land nach der Wahl Das Patt macht Israel ratlos

Jerusalam (RP). Israel ist ratlos: Die Parlamentswahl ergab eine Patt-Situation. Rechtes und linkes Lager sind fast gleich groß. Egal, wie die künftige Regierungskoalition aussieht: Es müssen Partner zusammengebracht werden, die eigentlich nicht zusammen passen.

Die Parlamentswahl hat mit einem Patt geendet. Sowohl die Kadima-Partei von Außenministerin Zipi Livni als auch der rechtsgerichtete Likud von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu erklärten sich zum Wahlsieger. Beide nahmen auch schon Sondierungsgespräche mit potenziellen Koalitionspartnern auf. Wer der nächste Premier sein wird, hängt nun vom Verhandlungsgeschick der Kontrahenten Livni und Netanjahu ab.

Israels Rechte ist der größte Wahlgewinner, aber in sich zerrissen. Sie errang 65 der 120 Knessetsitze. Die linksgerichteten Parteien kommen auf 55. Zu letzterem Lager wurde in den Analysen auch die konservative Kadima gezählt, weil sie zu territorialen Zugeständnissen an die Palästinenser bereit ist.

Kadima braucht einen Teil der Rechten

Livnis linkes Lager braucht zum Regieren einen Teil der Rechten. Chancenlos ist sie nicht. Das rechte Lager, das Netanjahu eine knappe Mehrheit in der Knesset verschaffen könnte, ist in Fragen der Innenpolitik tief gespalten. Zudem, so hieß es aus Netanjahus Umkreis, wolle Netanjahu sich nicht zur Geisel extremistischer Strömungen machen. Eine friedensfeindliche Außenpolitik könnte Israels Beziehungen zu den USA und zur EU ernsthaft gefährden.

Zwei Personen spielen eine Schlüsselrolle: Staatspräsident Schimon Peres und Avigdor Lieberman, Vorsitzender der ultra-nationalistischen Israel-Beiteinu-Partei. Peres, der als Präsident den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, wird sich nächste Woche für Livni oder Netanjahu entscheiden müssen. Das Gesetz lässt ihm großen Spielraum.

Seine Sprecherin Ajelet Frisch umschrieb dabei das Dilemma, vor dem Peres steht: "Der Präsident wird bei seiner Entscheidung die Größe der Fraktion und das Potenzial, eine Regierung zu bilden, in Betracht ziehen." Bei seiner Entscheidung könnten Peres auch persönliche Erfahrungen leiten. Er gehörte zu den Gründern der Kadima und setzt sich stark für den Friedensprozess ein, den Netanjahu ablehnt. Zudem verlor Peres 1996 die Wahl gegen Netanjahu. So spricht einiges dafür, dass er Livni den Vorzug geben wird.

Schlüsselfigur Lieberman

Die andere Schlüsselfigur ist Avigdor Lieberman, dessen Partei mit 15 Mandaten zur drittstärksten Kraft in der Knesset wurde. Ohne ihn ist eine stabile Koalition fast unmöglich. So trafen Livni und Netanjahu sich bereits wenige Stunden nach der Wahl mit Lieberman, um ihn auf ihre Seite zu ziehen. Der ließ sich gern umwerben und ließ in seiner Siegesrede alle Optionen offen: "Ich freue mich, dass der Schlüssel bei uns ist. Die Entscheidung wird uns nicht leicht fallen, alles ist möglich. Wir lehnen niemanden ab."

Lieberman will — wie Livni und Netanjahu — die islamistische Hamas im Gaza-Streifen stürzen. In wichtigen Fragen hat Lieberman, dem Araber Rassismus und Faschismus vorwerfen, durchaus Berührungspunkte mit Israels Linker. Im Gegensatz zum Likud befürwortet er eine Zwei-Staaten-Lösung. Dabei will Lieberman die arabischen Bürger Israels und ihre Städte dem neuen Palästinenserstaat zuschlagen und im Gegenzug die israelischen Siedlungen im Westjordanland annektieren.

Als Vertreter der russischen Einwanderer, von denen viele vom religiösen Establishment nicht als Juden anerkannt werden und deswegen in Israel nicht heiraten können, verlangt Lieberman die Einrichtung von Zivilehen. Diese Forderung ist den religiösen Koalitionspartnern Netanjahus ein Gräuel.

(RP)
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