Krisenstab Auftrag: Geiseln retten

Berlin (RP). Furchtbares Unglück, verheerende Katastrophe, erschreckende Entführung - immer wenn die Welt den Atem anhält, richtet das Auswärtige Amt binnen kurzer Zeit einen Krisenstab ein. Wie arbeiten diese Spezialisten? Wie gehen sie mit der ungeheuren Anspannung um? Wie ertragen Sie den Dauerstress?

Krisenstab tagt in Berlin
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Foto: AP

Christian Fürst (Name von der Redaktion geändert), Bediensteter des Auswärtigen Amtes mit jahrelanger Krisenstab-Erfahrung, schildert seine Empfindungen. Krisenstab, das ist laut Fürst einfach ein "knochenharter Job". Die Mitarbeiter blicken zwar auf eine ganze Reihe von Uhren mit den Zeiten der Schnitt- und Brennpunkte der Welt, doch keine von ihnen zeigt den eigenen Feierabend.

Es wird zwar in Schichten gearbeitet, aber die richten sich nicht nach Lebensrhythmus oder Schlafbedürfnis. Entscheidend ist, was gerade getan werden muss. Und wenn das von sieben Uhr in der Früh bis ein Uhr in der Nacht diesen einen Spezialisten verlangt, dann kommt der um sieben Uhr in der Früh und geht um ein Uhr in der Nacht.

Bei einzelnen herausragenden Operationen gab es schon Krisenstäbe, in denen die Mitarbeiter 60 Stunden am Stück arbeiteten, wenn etwa irgendwo eine brenzlige Evakuierung ablief oder sich ein Geiseldrama der Befreiung näherte.

Wie ein Arzt im OP

Nicht von ungefähr vergleicht Fürst seine Arbeit mit der eines Arztes im OP. Auch für ihn ist Alltag, was für den Patienten Ausnahmezustand bedeutet. Die Angehörigen des Patienten ringsumher werden immer nervöser, aber die OP gelingt nur, wenn der Arzt Ruhe bewahrt, systematisch und hochkonzentriert ein Detail nach dem anderen erledigt. So ähnlich fühlen sich die Mitglieder im Krisenstab.

So professionell sie mitunter rund um die Uhr einen Stein nach dem anderen umdrehen und alles analysieren, bis die Informationen immer klarer sind, so sehr sind sie doch auch mit ganzem Herzen dabei. Und wenn sie nach langen Tagen oder Nächte nach Hause fahren, können sie meistens doch nicht abschalten. "So eine Geschichte lässt einen nie los", sagt Fürst. Die Psychologen rieten zwar, nach einer solchen Schicht in Ruhe aus der Sache rauszukommen. "Aber das geht nicht. Man hat ein halbes Pfund Adrenalin im Bauch, und auch zu Hause kreisen die Gedanken immer weiter."

Topmoderne Technik

Die Technik im Krisenstab ist auf dem allerneuesten Stand. Aber sie ist Unterstützung, nicht Ersatz. Nicht für den Menschen, nicht für seine Gefühle. Wenn etwa nach einem Flugzeugabsturz Tausende besorgter Menschen beim Krisenstab anrufen und wissen wollen, ob ihre Angehörigen mit im Flieger saßen. "Wenn man dann Ja sagen muss, und man weiß, das heißt: Sie sind tot, dann muss man doch mit den Angehörigen sprechen, dann kann man doch nicht auflegen." Dieser "Service" gehört zu den beklemmendsten Erfahrungen für die Mitarbeiter.

Erfahrene Krisenstab-Mitarbeiter empfinden nicht anders als ihre jungen Kollegen, aber sie empfinden nicht mehr so tief. "Wie bei einem Pfarrer, der immer wieder mit dem Tod umgehen muss und der den Schmerz der Angehörigen ja auch nicht vertiefen darf." Und Fürst verwendet noch einmal das Bild vom Arzt: "Der tut seinem Patienten auch keinen Gefallen, wenn ihm vor Mitgefühl das Skalpell zittert. Da muss man immer einen kühlen Kopf bewahren, und das trainiert man sich an."

(alfa)
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